Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Kindchen», stellte die schwarze Frau gelassen fest.
«Ich bin kein Kind mehr», fauchte Katara. «Und wenn mein Vater Euch und Eure schweigsamen Leibwächter in die Hände kriegt, könnt Ihr was erleben. Bei Shaíria, es wird Euch noch leidtun, dass Ihr uns verschleppt habt. Ihr werdet es mit Eurem Leben bezahlen, dafür werde ich persönlich sorgen.»
Die Alte sagte nichts und hörte sich alles geduldig an, ohne das Mädchen zu unterbrechen.
«Ich habe keine Angst vor Euch, Hexe. Ihr habt unser Land ins Verderben gestürzt, und dafür werdet Ihr bluten. Eure Magie wird Euch nichts nützen gegen die Armee Drakars. Seine Späher werden Euch verfolgen und aufstöbern, wo auch immer Ihr Euch zu verstecken sucht. Euch wird dasselbe Schicksal ereilen wie Isabella. Das schwöre ich Euch!»
Sie ließ ihren ganzen Zorn an der alten Frau aus, und die pummelige Schwarze stand einfach nur mit verschränkten Armen vor ihr und wartete, bis Katara ihre Drohrede beendet hatte. Dann atmete sie tief durch, dass sich ihre Brust wölbte, und meinte einfach:
«Kindchen. Was Ihr braucht, ist eine gute Tasse Tee. Das wird Eure Nerven beruhigen. Isabella hat Recht gehabt, was Euer Temperament betrifft.»
Katara zuckte augenblicklich zusammen und sah die Alte verdattert an. Ihr beißender Tonfall wich einer unsicheren, vibrierenden Stimme.
«Isabella?»
Die Alte nickte. «Ich bin bestens informiert über Eure Begegnung im Kerker letzte Nacht.»
Katara wurde augenblicklich still wie ein Grab. Mit einem einzigen Satz hatte das Mütterchen sie außer Gefecht gesetzt. Was um alles in der Welt hat das zu bedeuten?, dachte Katara mit pochendem Herzen. Wie kann sie davon wissen?
«Du hast dich mit Isabella getroffen?!», warf Miro ein, den diese Neuigkeit ebenfalls ziemlich durcheinander brachte. «Du hast Zugang zum königlichen Kerker?!»
«Das ist eine lange Geschichte», murmelte Katara mit hängenden Schultern, «ich hätte es nicht tun sollen. So viel ist mir in der Zwischenzeit klar geworden.»
«Es kam, wie es kommen musste», sagte die Frau und lächelte sanftmütig. «Alles dient einem höheren Zweck.»
«Was wollt Ihr damit andeuten?»
«Ich will Euch eine kleine Geschichte erzählen, mein Kind.»
«Ich bin nicht Euer Kind», knurrte Katara, jedoch ohne jegliche Kraft. Die Alte überhörte die Bemerkung. Ihre breiten Hüften schwingend, wälzte sie sich in ihren Pantoffeln auf Katara zu und begann zu erzählen. «Es gibt eine sehr eigenartige Affenfalle. Eine Kokosnuss wird ausgehöhlt und an einem Seil an einen Baum gebunden oder an einem Stock in der Erde befestigt. In die Nuss wird süßes Futter gelegt. Das Loch ist gerade so groß, dass ein Affe seine ausgestreckte Hand hindurchschieben, aber die geschlossene Faust nicht mehr zurückziehen kann. Der Affe riecht also die Süßigkeit, steckt seine Hand hinein, um das Futter zu ergreifen, und kann sie dann nicht wieder herausziehen.»
Die Alte ballte ihre Faust, während sie weitererzählte. «Wenn die Jäger kommen, gerät der Affe in Panik. Er kann aber nicht entfliehen, denn seine geschlossene Faust steckt ja in der Kokosnuss fest. Die Hand ist zu groß, um sie durch das Loch zu ziehen. Alles, was der Affe tun müsste, ist, die Hand zu öffnen und das Futter loszulassen, dann könnte er sich selbst befreien. Aber das tut er nicht. Niemand hält ihn gefangen außer der Kraft seiner eigenen Gier. Und die machen sich die Jäger zunutze, um ihn zu fangen.»
Die Frau machte eine kurze Pause, um die Bedeutung ihrer Worte zu unterstreichen. «Es war nicht Isabellas Kraft, die Euch am Gitter festhielt. Es war Eure eigene.»
Katara schluckte. Woher weiß sie das alles? Sie war doch nicht dabei! Warum weiß sie, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte? Wer ist diese Frau?
Miro und Ephrion beobachteten, wie alle Farbe aus dem Gesicht des vorher so willensstarken Mädchens gewichen war. Katara saß auf dem Stuhl wie ein kleines, zerbrochenes Kind. Es war beinahe unheimlich, diese radikale Wandlung mitzuverfolgen. Was hatte das Mütterchen nur mit ihr gemacht?
«Wer … wer seid Ihr?», stammelte Katara, und ihr anfänglich aggressiver Tonfall war nun gänzlich verschwunden. Aus einer Wildkatze war ein zahmes, eingeschüchtertes Haustier geworden. Die alte Frau betrachtete Katara mit verständnisvollem Blick.
«Es hat Euch verwirrt, was Isabella Euch offenbart hat, ich weiß.»
Die Erinnerung an jene wenigen Augenblicke am Gitter, allein mit Isabella, ließ Katara aufs
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