Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
sagte. Wir können es nicht riskieren, Euch zu verlieren. Das waren ihre exakten Worte. Ich habe sie mir eingeprägt, weil ich ihre Ausdrucksweise so sonderbar fand. Irgendeine Bewandtnis muss es damit haben. Sie wählte diese Worte sicher nicht zufällig.»
Ephrion zuckte nur die Achseln.
«Also, was ist dein Geheimnis?»
«Ich habe kein Geheimnis.»
«Und warum würde das Mütterchen so etwas sagen? Was hat sie damit gemeint?»
Ephrion zupfte ein ganzes Moosbüschel aus dem Boden und wurde so nervös, dass er sich beim Sprechen verhaspelte.
«Ich … ich … ich weiß beim besten Willen nicht, was sie damit gemeint hat!»
«Sie sagte auch, du hättest eine kostbare Gabe, und es ware Zeit, sie einzusetzen», fuhr Miro fort. «Also, was verheimlichst du uns?»
«Nichts!» Jetzt brauste Ephrion endgültig auf. «Ich verstehe es ja genauso wenig.»
«Was verstehst du nicht?», erkundigte sich Katara.
«Alles. Es muss ein Irrtum sein. Es kann nur ein Irrtum sein.»
«Du zweifelst an der Prophezeiung?», fragte Aliyah.
«Ich zweifle an mir.» Seine Stimme bebte leicht. «Seht mich an. Sehe ich aus wie ein Held?»
«Darauf kommt es doch nicht an», bemerkte Aliyah.
«Aber ihr alle habt Gaben, die euch befähigen.»
«Die hast du bestimmt auch», meinte Aliyah, «sonst hätte dich das Mütterchen nicht holen lassen.»
Ephrion war nicht überzeugt. «Und wenn sie sich täuscht? Ich meine, es wäre doch möglich, dass die blonden Männer in den schwarzen Anzügen sich in der Tür geirrt haben. Es wäre doch denkbar, dass sie den Falschen erwischt haben, oder? Ich meine, warum ich? Warum ausgerechnet ich?» Er redete immer schneller. Es sprudelte förmlich aus ihm heraus. «Ich … ich fühle mich weder befähigt, dieses wertvolle Buch mit mir herumzutragen, noch ein flammendes Schwert aus einer Höhle zu holen, geschweige denn einen Gefangenen aus einem Kerker zu befreien. Das ist alles zu viel für mich. Versteht ihr? Ich … ich kann einfach nicht glauben, dass ich … dass ich dazugehören soll.»
«Warum nicht?», fragte Aliyah.
«Weil … ich bin nicht besonders gut in der Schule … meine Eltern sind arm. Ich … ich bin viel zu jung für eine so große Aufgabe.»
«Wir sind alle jung», sagte Aliyah.
«Aber ihr seid mutig, ich bin es nicht. Ich kann überhaupt nichts vorweisen, das von Nutzen wäre.»
«Und von welcher kostbaren Gabe hat dann das Mütterchen bitte schön gesprochen? Sicher nicht vom Essen und vom Tischdecken, oder?!», hakte Miro nach.
«Ich weiß es nicht, ehrlich nicht.»
«Ich glaube dir nicht», sagte Miro trocken. «Du traust dich bloß nicht, es uns zu sagen.»
«Ich bin kein Genie wie du, Miro! Ich kann weder im Dunkeln sehen wie du, Katara, noch habe ich den sechsten Sinn wie du, Aliyah. Ich habe keine Gabe wie ihr. Was ich kann, ist … ist nichts Besonderes.»
«Also hast du doch eine Gabe», stellte Katara fest.
«Nicht wirklich», murmelte Ephrion verlegen und widmete sich wieder dem Auszupfen von Moos.
«Spann uns nicht auf die Folter», sagte Miro ungeduldig. «Was ist dein Geheimnis?»
Ephrion senkte den Kopf. «Ihr werdet mich bloß auslachen.»
«Ich werde dich nicht auslachen», versprach ihm Aliyah mit zarter Stimme.
«Komm schon», forderte ihn Miro heraus. «Hast du Schwimmhäute zwischen den Zehen? Oder kannst du vielleicht Feuer spucken oder Elefanten in Mäuse verwandeln?»
«Ich …» Ephrion zögerte und zupfte wie ein Weltmeister an einem weiteren Moosbüschel herum.
«Nun spuck es endlich aus!», rief Miro.
«Also gut», gab Ephrion schließlich nach und verkündete seufzend: «Ich … ich kann Schmetterlinge heilen.»
Darauf war niemand gefasst gewesen. Ein paar Sekunden lang war es peinlich still. Dann prustete Miro los.
«Schmetterlinge heilen?! Das ist deine Gabe? Du kannst Schmetterlinge heilen?»
«Ich hab doch gesagt, ihr werdet mich auslachen», brummte Ephrion beschämt. «Ja, ich kann Schmetterlinge heilen. Das ist alles, was ich kann. Tut mir leid. Mehr ist es nicht.»
«Interessant», meinte Katara, da ihr nichts Besseres einfiel.
Miro kugelte sich vor Lachen. «Schmetterlinge heilen. Ich wette, das wird auf unserer Reise sehr nützlich sein.»
«Miro, hör auf damit», wies ihn Aliyah zurecht. «Ich finde, es steht uns nicht zu, über die Gaben des anderen zu urteilen.»
«Das tue ich auch nicht», winkte Miro überheblich ab. «Ich meine, es ist großartig, dass Ephrion Schmetterlinge heilen kann. Findet ihr es nicht
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