Dark Desires - Im Bann der Unsterblichkeit
Kurzentschlossen hob er Jethro hoch und lief los. Sekunden später stand er vor dem Alfa Romeo. Für Jethro musste es ein beängstigendes Erlebnis gewesen sein, dennoch setzte er sich widerspruchslos auf den Beifahrersitz.
Devon wendete den Wagen und fuhr den Weg zurück, den er gekommen war. Er war gerade in eine Nebenstraße abgebogen, als hinter ihnen zwei schwarze Transporter auf der Barkly Street vorbeirasten.
Kapitel 6
Notaufnahme des Alfred Hospitals
Klick, klick, klick.
Jesse saß auf einem der Plastikstühle im offenen Wartebereich und klopfte mit dem rechten Daumen gegen die Armlehne. Jedes Mal, wenn sein silberner Ring auf das Metall traf, machte es klick, klick, klick.
Im Rhythmus der Wanduhr, die über seinem Kopf die Sekunden herunterhämmerte und im Rhythmus des dumpfen Pochens, das in Wellen von seiner rechten Schläfe ausstrahlte. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er einen Marathon gelaufen. Sämtliche Muskeln waren verspannt und wurden mit jeder Minute steifer. Jesse betrachtete seine Arme, auf denen scharfe Fingernägel tiefe Kratzer hinterlassen hatten. Blut war ihm bis zu den Ellenbogen heruntergelaufen und dort getrocknet. Staub und Erde hatten den Verlauf der Rinnsale nachgezeichnet und ein dunkles Gitternetz auf der blassen Haut gebildet.
Während der Fahrt zum Krankenhaus war ihm allmählich bewusst geworden, was sich Unglaubliches, Unwirkliches, Unmögliches im Park ereignet hatte. Gefühl für Gefühl, Bild für Bild. Gelbe Augen. Spitze Eckzähne. Das war unmöglich! Er blickte auf. Der Fremde lehnte an der gegenüberliegenden Wand und sah ihn unverwandt an. Sein schwarzes Sakko war am Revers und am linken Ärmel eingerissen, das weiße Hemd darunter von dunklen Flecken und Spritzern übersät. Niemand sonst beachtete ihn, trotz seines Aufzuges. Als wäre er unsichtbar.
Mit wem hatte er im Park telefoniert? Die Dinge, die Jesse halb gehört hatte, deren Sinn er verstand und gleichzeitig nicht verstand, machten ihm Angst. Mittlerweile hatte der Fremde zwei weitere Male telefoniert. Mit wem?
Jesse nahm das mit Mull umwickelte Ice-Pack vom Nachbarstuhl, das ihm ein Pfleger gebracht hatte, und drückte es behutsam gegen sein halb zugeschwollenes rechtes Auge. Außer ihm warteten sieben andere Leute auf eine Behandlung oder die Rückkehr ihrer Liebsten. In einer Ecke des Raumes saß ein alter Mann und blickte stoisch ins Leere. Eine junge Frau hielt ein schreiendes Baby auf dem Arm und wanderte rastlos auf und ab. Sie flüsterte beruhigende Worte, während Tränen ihre Wangen hinunterliefen. Die Mutter des Babys war eben auf einer Trage durch die Doppeltür geschoben worden, hinter der die Behandlungsräume lagen. Sie hatte ausgesehen wie einer dieser ausgemergelten Junkies, die man manchmal im Fernsehen sah. Jesse versuchte, das weinende Baby auszublenden. Das schrille Schreien sägte an seinen Nerven. Er war kurz davor, die Frau anzuschreien, dem Balg endlich das Maul zu stopfen.
Irgendwo schrillte ein Alarm. Sirenengeheul war zu hören. Menschen in weißer und dunkler Kleidung hasteten vorbei. Lautes Geschrei, dazwischen eine Trage, auf der ein junges Mädchen lag. Dem Tross folgte eine in Tränen aufgelöste Frau, die ihre Hände rang und unverständliche Worte rief. Die Mutter? War ihre Tochter auch von einem Wesen angefallen worden, das es nicht geben sollte?
Klick, klick, klick, machte Jesses Ring.
Der Mann war tot gewesen.
Klick, klick, klick.
Er hatte keinen Puls gehabt.
Klick, klick, klick.
Tote standen nicht wieder auf. Monster gab es in Büchern und Filmen, aber nicht im wahren Leben. Nicht im wahren Leben! Jesse ballte die rechte Hand zur Faust.
„Mr. McMichael?“
Er zuckte zusammen. Vor ihm stand eine Krankenschwester.
„Wenn Sie mir bitte folgen möchten.“
Er erhob sich und bemerkte die erbosten Blicke der anderen Patienten. Sie waren alle vor ihm dagewesen.
Der Fremde wartete bereits bei der Doppeltür. Die Krankenschwester ging an ihm vorbei, als wäre er Luft.
Sie brachte Jesse zu einem der zahlreichen, von weißen Trennvorhängen abgegrenzten Behandlungsbereiche und bedeutete ihm, sich auf eine Liege zu setzen.
„Wie ist es zu den Verletzungen gekommen?“, erkundigte sie sich routiniert.
„Das ist unwichtig“, erwiderte der Fremde, während Jesse nach einer Antwort suchte.
Für einen Moment wirkte die Krankenschwester desorientiert. Schließlich lächelte sie und sah dabei aus, als wüsste sie nicht genau, warum sie es
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