Dark Desires - Im Bann der Unsterblichkeit
besitzen.
Jesse blieb verblüfft stehen. Konnten Vampire Stimmungen riechen? Alle Stimmungen? Bedeutete das, Devon konnte riechen, was er empfand?
„Du verdammter Mistkerl!“ Jesse schwankte zwischen Empörung und Belustigung. „Glaub ja nicht, du könntest das ausnutzen!“
Er stieg in den Pick-Up, fuhr zurück zu seiner Wohnung und gönnte sich zum ersten Mal seit dem Krankenhausaufenthalt eine Dusche. In völliger Missachtung des allgemeinen Aufrufes zum Wassersparen blieb er eine Viertelstunde unter dem heißen Strahl stehen.
Es war himmlisch.
Peta wanderte rastlos in der Wohnung auf und ab. Die Bewegung machte das Warten erträglicher, doch sie half nicht gegen das Chaos in ihrem Kopf. Wie kam Richard dazu, einen Privatdetektiv zu engagieren, um seine Ex-Frau beschatten zu lassen? Wie lange ging das schon so? Was hatte er ihr noch verschwiegen? Sie hätte es wissen müssen! Ständig hatte er über Nicholas gesprochen, über den schlechten Einfluss, den Bonnie und der Stiefvater auf den Jungen ausübten. Über die frustrierenden Telefonate an die Ostküste und das erniedrigende Betteln um Besuchstermine, für die er endlos lange Autofahrten auf sich nahm. Irgendwann hatte Richard damit aufgehört und kein Wort mehr über Bonnie und Nicholas verloren. Oder über ‚ den elenden Bastard, der mir die Familie gestohlen hat’ .
Sie hatte aufgeatmet und keine Fragen gestellt. In der Hoffnung, er hätte die Situation endlich akzeptiert und wäre bereit für einen Neuanfang. Falsch gedacht!
Das Schrillen der Türklingel schreckte Peta auf. Voller Anspannung schaute sie durch den Spion. Vor der Tür stand ein blonder, leicht molliger Mann in Blue Jeans und einer schwarzen Jacke. Er mochte ein oder zwei Jahre älter sein als sie und sah durchschnittlich aus, fast langweilig.
Peta öffnete die Tür.
„Hi.“ Der Mann strahlte sie an und sie revidierte ihr erstes Urteil. Er besaß eines dieser gutmütigen Knautschgesichter, die sich hervorragend zum Grimassenschneiden eigneten. Seine kurzen Haare schimmerten in einem kräftigen Goldton und seine Augenfarbe war ein von hellbraunen Sprenkeln durchsetztes Gelbgrün. „Sind Sie Miss Shawcross?“
Sie nickte.
„Ich bin Ihr Bodyguard für diese Nacht.“
Peta musste lächeln. Charmant war er. Sie wollte ihn hereinbitten, stutzte dann jedoch. „Sind Sie …?“
Sein Grinsen wurde breiter. „Jeder Zentimeter.“
„Oh.“ Peta gab sich keine Mühe, Abscheu und Enttäuschung zu verbergen. „Einen Moment.“
Sie ging ins Schlafzimmer, um die Reisetasche zu holen. Der Vampir machte keinerlei Anstalten, ihr zu folgen.
Solange sie hier wohnte, würde keiner von denen ohne ihre Erlaubnis die Wohnung betreten können. Diese Räume waren für sie der sicherste Ort der Welt. Sie hatte gerade den Umschlag mit den Fotos in die Tasche gelegt, als sie die Erkenntnis traf: Richard war jetzt einer von ihnen. Er würde seine eigene Wohnung nicht mehr betreten können! Dabei waren all seine Sachen hier, seine Kleidung, seine Möbel, seine Bücher. Hätte er ihr die Schlüssel nicht gegeben und sie gebeten, bei ihm einzuziehen, wäre es anders. Peta kämpfte erneut mit den Tränen. Er würde nicht zurückkommen. Seine Artgenossen warteten bloß auf eine Gelegenheit, ihn umzubringen. Sie war der Köder und ihr Bodyguard bestimmt nicht nur zu ihrem Schutz abgestellt worden. Wenn Richard klug war, versteckte er sich oder floh aus der Stadt. Falls er sich bei ihr meldete, würde sie ihm helfen. Gleichgültig, was geschehen war. Er sollte sich bei ihr melden. Damit sie wusste, dass es ihm gut ging. Peta schloss für einen Moment die Augen, um sich zu sammeln. Danach schulterte die Reisetasche und verließ das Schlafzimmer. An der offenen Wohnungstür blieb sie stehen. Ein Schritt über die Türschwelle und sie würde alle Sicherheit aufgeben.
„Wir sollten uns beeilen.“ Der Vampir trat auffordernd zur Seite. „Ich bin hier, um auf Sie aufzupassen. Nicht, um Ihnen zu schaden.“
Peta glaubte ihm kein Wort. Sie zwang sich zu einem Lächeln und trat hinaus in den Hausflur.
„Haben Sie die Fotos dabei?“
Peta öffnete die Reisetasche und drückte ihrem Begleiter den Umschlag wortlos in die Hand.
Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Wie sie den Sommer herbeisehnte, wenn die Tage endlich länger wurden! Richard hatte die Vampire oft die Herrscher der Dunkelheit genannt. Halb im Scherz, halb im Ernst, doch stets mit einer Spur von Bewunderung in der Stimme.
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