dark destiny
Rebellenspitzel um die Stadt herum ausbreiteten, war schon lange kein Gerücht mehr, auch wenn Neel es bagatellisierte, um Joy nicht zu beunruhigen. Die Alten meinten, sie würden die Vorboten des
Krieges in der Luft wittern. Es wurde langsam Zeit, Joy gegenüber zuzugeben, dass auch er sich Sorgen machte.
Sein Zimmer war eine einfache Behausung, aber komfortabler, als das Gefängnis es gewesen war. Das Bett war zu schmal für zwei, dafür gab es noch einen Sessel und eine kleine Couch, einen Tisch mit Stühlen und zwei Schränke, gefüllt mit Kochutensilien. Der gekachelte Boden wurde durch zwei Teppiche etwas behaglicher. Neben dem Spülbecken stand ein alter Elektroherd, der sicher noch funktionierte, aber das Haus hatte seit Längerem keinen Strom mehr.
Joy kickte ihre Stiefel von den Füßen und ließ sich auf das Bett fallen. Sie war vollkommen durch den Wind; sie sah ihn nicht einmal an, während sie zu sprechen begann.
»Verrate mir, warum es dir so wichtig war, dass ich ihn besuche, Neel. Ich kann ihm doch ohnehin nicht helfen. Was nützt es ihm, mich noch mal zu sehen? Hätte ich ihm die Wahrheit über mich erzählt - die Wahrheit über dich -, wäre er vermutlich gleich an dem Schock gestorben. Warum all das?«
»Schwer zu erklären.« Neel wusste es selbst nicht genau. Waren es die gleichen Anzeichen gewesen, die ihn hatten vermuten lassen, dass Joy auf der Suche nach ihrem Vater war? Nachdenklich setzte er sich neben dem Bett auf den Boden, sodass sie ihn berühren konnte, aber nicht dazu gezwungen war. »Wir sind alle so ... zerbrechlich«, sagte er, nach den richtigen Worten suchend. »So vergänglich. Es kann so schnell gehen, dass wir nicht mehr sind, dass wir einfach ausgelöscht werden. Vor- und Nachfahren sind etwas, das uns ein bisschen stärker in der Welt verankert. Unser Leben besteht weiter in denen, die uns geschaffen haben oder die wir schaffen.« Er fing ihren Blick auf, in dem ein tief unterdrückter Schmerz lauerte, und beeilte sich hinzuzufügen: »Das muss mit Zeugung nichts zu tun haben. Ich rede von Werten, die wir übernehmen und weitergeben.«
Sie stand auf, ging zum Waschbecken und füllte einen Becher. »All das bedeutet mir nicht viel, tut mir leid. Für mich zählt dieses Leben. Ich habe nur dieses eine.«
Neel lächelte. »Wenn das wahr ist, hast du auch nur diesen einen Vater. Und den willst du nicht sehen?«
Joy stellte den Becher ab, ohne getrunken zu haben. »Du hast recht.« Sie schien erstaunt von der Erkenntnis, setzte sich dicht neben ihm auf den Boden und nahm sein Gesicht in beide Hände. »Du hast das so plausibel erklärt, warum bin ich nicht darauf gekommen?«
Er beugte sich vor und küsste ihre Augenlider, damit sie sie schloss. »Du bist ein bisschen blind, Joy.«
»Und du kannst sehen?«, flüsterte sie.
»Ja, ich kann sehen.«
»Was siehst du?«
Wie gut, dass sie die Augen geschlossen ließ, sonst sähe sie nun Furcht in seinen. »Ich sehe dich. Und Edison.«
Sie lächelte, aber es war ein unglückliches Lächeln. »Er glaubt immer noch, er wäre dein Bruder. Aber weißt du, was ich glaube? Du fühlst dich eher wie sein Vater.«
»Er hat ja keinen.«
»Und du glaubst, er braucht einen?«
Neel musste schlucken. Aber er verstand, dass sie daran zweifelte, hatte ihr eigener Vater sie doch im Stich gelassen. »Ob man als Kind einen gebraucht hätte, weiß man erst später. Ich weiß heute, ich hätte einen gebraucht. Aber ich hatte nur Cloud und ich war so allein, dass ich seine Mentorrolle mit der eines Vaters verwechselt habe.«
Joy öffnete die Augen. Das metallische Blau faszinierte Neel jedes Mal aufs Neue. So viel Ernsthaftigkeit war darin zu lesen. Die meisten Menschen waren durchschaubar, wenn man sehr genau hinsah: Ihre Augen blickten immer in die Richtung, in die sie dachten. Von
Joys Augen konnte man ablesen, dass sie eine geschickte Kämpferin war und um die Bedeutung des Überraschungsmoments wusste. Doch wenn er zu ergründen versuchte, was sie dachte, musste er immer raten und sich auf sein Glück verlassen.
Glück. Ja, das brauchte er jetzt in rauen Mengen.
»Joy«, begann er vorsichtig. »Da ist etwas, das ich dir sagen muss.« Er sah fest in ihre Augen, als könnte er sich an der Farbe festhalten, um nicht ins Wanken zu geraten. »Ich sehe ein Schiff.«
Mit jedem Wort, das er aussprach, schien Joy ein wenig blasser zu werden. Und er sprach viele Worte aus, erzählte von Clouds Plänen und von dem Tag, als er mit Graves'
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