dark destiny
Wegen, die abseits verliefen und lediglich von Unkraut und Brennnesseln bevölkert wurden. Es war ein Risiko, sich zusammen sehen zu lassen. Beide hatten sie ihre Feinde und keiner wollte den anderen in seine Kämpfe mit hineinziehen.
Das Versteckspiel war ermüdend und ebenso ermüdend war Joys Schweigen. Neel nahm es hin, weil er wusste, dass es nichts brachte, sie darauf anzusprechen. Sie musste das Gesehene zuerst sortieren, ehe sie darüber reden konnte. Und das ging gemeinhin schneller, wenn er sie nicht störte.
»Es ist nicht fair!«, stieß sie schließlich hervor. »Ich beginne jetzt schon, ihn wieder gernzuhaben.«
»Das ist doch gut? So ist es vermutlich mit Vätern.« Der letzte Satz wurde ungewollt zu einer Frage.
»Aber er stirbt.«
»Das tun wir alle irgendwann und die wenigsten haben davor die Möglichkeit, eine verlorene Tochter zurückzubekommen.«
»Hast du ihn gesehen?«
Unbeabsichtigt hatte er sie gereizt.
»Hast du gesehen, wie krank er ist? Hast du den Dreck gesehen? Den Gestank gerochen?«
Er nickte.
»Ich will nicht, dass er in dieser Bruchbude sterben muss. Das ist doch widerwärtig.«
Er musste sachte mit ihr umgehen, wenn sie so erregt war. Aber auch ehrlich - alles andere als bedingungslose Ehrlichkeit machte eine aufgewühlte Joy Annlin Rissel erst recht fuchsteufelswild. »Er ist sich seiner Situation doch seit Langem bewusst, er hätte sich vorbereiten können. Wenn ein Mann frei sterben will, dann hält ihn niemand auf.«
»Willst du damit sagen, er will so sterben? Niemand will so sterben.«
»Du willst so nicht sterben«, korrigierte er sie. »Du vergisst manchmal, dass nicht jeder die gleichen Ansprüche ans Leben stellt wie du. Deinem Vater bedeutet seine ärmliche Hütte mehr als das Leben in Freiheit, sonst hätte er schon lange etwas an seiner Situation geändert.«
Joys Miene machte klar, dass sie das nicht akzeptierte.
Neel nahm ihre Hand, so unklug das auf offener Straße auch sein mochte. Sei es drum, die Nachbarn redeten ohnehin. Sie merkten doch, dass das Menschenmädchen seit Tagen bei ihm übernachtete. Lange würde das nicht mehr gut gehen.
Sie musterte ihn skeptisch. »Warum war es dir so wichtig, dass ich dieses Elend sehe? Ist es, weil Matthial dir gesagt hast, dass du nach meinem Vater suchen sollst?«
Neel hätte seine Hand beinahe unsanft zurückgezogen. Der Name ließ nach wie vor seine Muskeln erzittern und eine heiße Wut flutete seine Gedanken.
»Entschuldige«, sagte Joy erschrocken, als sie seine Reaktion bemerke. »Neel, verzeih, ich habe nicht nachgedacht.«
»Schon gut.« Er seufzte. Sie war ganz durcheinander. »Nein, mit ihm hat das nichts zu tun. Ich habe dir doch von den Kindern erzählt, die beim Jagen erwischt wurden. Valeria und Killian.«
Joy zog kritisch die Brauen zusammen. »Ja. Und?«
»Ich habe dir erzählt, dass sie verraten wurden. Von einer Frau.«
Sie atmete schwerfällig aus. Ihr Gesicht sagte, er solle nicht weitersprechen, aber er tat es trotzdem.
»Das war Robins Frau. Deshalb bin ich auf ihn gestoßen. Ganz zufällig.«
»Und hast ihn an seinen Augen erkannt«, murmelte Joy. Sie löste ihre Finger aus seiner Hand. »Fuck. Gerade habe ich noch vorgehabt, diese Bude von oben bis unten auseinanderzunehmen und jedes Holzscheit blitzblank zu putzen.«
»Guter Plan. Brauchst du Hilfe?«
»Ist das dein Ernst? Wir sollen einem Weib die Arbeit abnehmen, das Kinder verrät? Was ist das nur für ein Mensch? Wie kann sie die Hütte so verkommen lassen? Sie sieht doch, dass Robin nichts mehr machen kann.«
»Du bist zu hart, Joy.« Und zu weich im Inneren, fügte Neel in Gedanken hinzu. Eine gefährliche Mischung. »Es muss schwer für eine Frau sein, Mann und Kind durchzubringen. Vermutlich arbeitet sie von früh bis spät.«
Joy seufzte. »Tust du mir einen Gefallen? Hör auf, immer recht zu haben, das schlägt mir aufs Gemüt. Na, was soll's. Wenn sie so viel arbeitet, laufe ich ihr zumindest nicht über den Weg.«
Verfolgt von einigen misstrauischen Blicken, die sie beide stoisch ignorierten, erreichten sie das Haus von Neels Vorarbeiter. Neels Zimmer war eine ehemalige Küche mit Tür zum Hinterhof. Hinter den blinden Scheiben der umliegenden Häuser bewegten sich Gesichter, als er aufschloss und Joy eintreten ließ.
Sie spielten hier jeden Tag aufs Neue mit dem Feuer. Er musste sich dringend eine Lösung überlegen, ehe ein wütender Mob aus Menschen oder Percents über sie beide herfiel. Dass sich
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