dark destiny
Hilfe das Schiff versteckt hatte, und von den Karten und dem Kompass, mit deren Hilfe man das Meer überqueren konnte.
»Sag mal, hast du den Verstand verloren? Wird er nicht ahnen, dass du es geklaut hast?«
Neel zuckte mit den Achseln. Tatsächlich war diese Sorge nicht ganz von der Hand zu weisen. »Ich glaube nicht, dass er das Schiff so bald aufsuchen wird. Warum sollte er? Er kann nichts damit anfangen. Als wir es geholt haben, sah es aus, als wäre seit Ewigkeiten niemand dort gewesen. Der Rumpf war mit Algen und Muscheln überzogen und innen wuselte Getier herum.«
»Weißt du, wo Cloud es herhat?«
»Ich kann nur raten. Ich glaube nicht, dass es hier gebaut wurde. Es sieht ganz anders aus als die Fischerboote, die ich kenne. Der Rumpf ist viel glatter, das Holz dünn und es ist sehr schmal.«
Joy zog die Unterlippe zwischen die Zähne. »Du glaubst, es hat das Meer schon einmal überquert, oder?«
»Das kann sein. Du erinnerst dich doch an den Pass und den Toten, den wir gefunden haben.«
Sie schauderte, vermutlich würde sie das nie vergessen. »Fremdländer, ja.« »Sie werden kaum hergeschwommen sein.«
Joys Lippen kräuselten sich, es sah fast nach Genugtuung aus. »Wenn Cloud das Schiff selbst gestohlen hat, ist es kein Unrecht, wenn wir es ihm wegnehmen, oder?«
Ein Ja wäre zu verfänglich gewesen, immerhin handelte es sich bei Cloud um einen der Präsidenten. Er erwiderte bloß ihr Lächeln für einen kurzen Moment, um sie dann lange, sehr lange zu küssen.
• • •
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es dort ist, jenseits des Meeres.« Joy schnitt dicke Scheiben von einem Laib Brot ab. Wenn sie weiterhin so sehnsüchtig in die Luft starrte, würde sie sich noch die Finger absäbeln.
»Früher dachte ich, dort gäbe es nur Menschen. Als ich dann älter wurde, hatte ich Angst, es gäbe auf der restlichen Welt nur noch Percents. Nichts gegen dich, Percent«, sie warf Neel ein Lächeln zu, »aber besonders verlockend war der Gedanke nicht.«
Neel nahm Schmalz und Käse heraus und schloss den Schrank. »Genau werden wir es nicht erfahren. Wir müssen uns auf das verlassen, was wir über die Gilde der Wölfe herausgefunden haben. Es scheint Menschen zu geben. Und Percents.«
»Und mit etwas Glück leben sie in Frieden.«
Neel nickte, aber er sprach seine folgenden Worte mit Nachdruck aus. »Möglich ist das. Aber ich will nicht, dass du davon ausgehst, Joy. Ich will nicht, dass du enttäuscht bist, falls es jenseits des Meeres nicht anders ist als hier.«
»Kannst du mich nicht weinen sehen?«, scherzte sie.
Ohne es zu ahnen, trafen ihn ihre Worte. Denn er würde sie nicht sehen. Nicht, wenn sie vor Enttäuschung weinte, und auch ihre
Freudentränen nicht. Er würde ihr bald sagen müssen, dass er hierblieb, aber noch war ihre Euphorie über die neu gewonnene Möglichkeit so überwältigend, dass er es nicht über sich brachte. Noch musste er es ihr nicht sagen. Sie hatte sich ja noch nicht einmal entschieden.
»Weißt du, was sonderbar ist?« Joy biss von ihrem Brot ab, sodass das Schmalz ihre Lippen glänzen ließ. »An dem Tag, als Amber gefangen genommen wurde, habe ich mich am Morgen von ihr verabschiedet. Ich wollte den Clan verlassen.«
»Wohin wolltest du?«
»Ein paar Jungs hatten ein altes Fischerboot gefunden. Sie wollten es seetüchtig machen und damit gen Norden segeln. Nach ... Skandinavien, so hieß es, glaube ich. Aber dann verlief alles anders. Ich nehme an, sie reisten ohne mich ab.«
Neel stieß die Luft aus. »Du solltest froh sein, dass alles so gekommen ist. Wenn Graves' Karten recht behalten, dann ist Skandinavien viel zu weit weg. Das packt ein kleiner Kutter niemals.«
»Und unser Boot packt es?«
Neel schob sein Abendessen zur Seite, um Platz auf dem Tisch zu schaffen, und holte eine der Karten hervor. Zum Glück sah Graves nicht, wie er das kostbare Artefakt auf die Krümel legte. »Wir sind hier.« Er zeigte auf einen Punkt im Nordosten Englands.
Joy riss die Augen auf. »Wirklich? Wie habt ihr das herausgefunden? Was bedeuten all diese Punkte?«
»Es waren einmal Städte, sagt Graves. Angeblich hatte jede einen eigenen Namen.«
»Städte? Das sind so viele Städte wie Sterne am Himmel. Die können doch nicht alle verschwunden sein!«
Tatsächlich waren nicht alle verschwunden. Aber zwischen den verbliebenen, von Zäunen und Mauern geschützten Städten lagen heute weite Strecken. Percents teilten ungern ihre Macht - besser, jeder blieb in
Weitere Kostenlose Bücher