dark destiny
zuckte aber mitten in der Bewegung zusammen und unterließ es. »Bitte, komm rein.«
Ich trat nur ungern in die Hütte. Die Tür fiel hinter mir zu und die Luft wurde noch stickiger. Ich erkannte die Gerüche von Pilzen, zu lang gelagerten Zwiebeln und ... Krankheit. Die Bodendielen fühlten sich morsch unter meinen Füßen an, ich mochte kaum auftreten, aus Angst, das Holz würde in sich zusammenfallen.
»Bist du es wirklich?«
Ich zwang mir ein Lächeln ins Gesicht. »Sieht so aus.« Denn der Mann mochte unförmig sein, sein Gesicht weiß wie Ziegenkäse,
schwammig und gleichzeitig eingefallen, sodass ich es kaum wiedererkannte. Aber er hatte meine Augen. Sie schienen das einzige Lebendige an ihm zu sein. Eine Wasserleiche mit meinen Augen.
Ich will hier weg, schoss es mir wieder durch den Kopf, doch unbewusst machte ich einige Schritte in den Raum und setzte mich, ohne darüber nachzudenken, an den Tisch.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
Der Mann, der mein Vater war, verdeckte seine blauen Augen mit der Hand. »Das ist eine so lange Geschichte. Hat Mars sie dir nicht erzählt?«
Ich winkte ab. Warum er Penny und mich im Clan zurückgelassen hatte, war in diesem Moment nicht so wichtig. Er würde seine Gründe haben, und wenn das keine guten waren, dann wollte ich sie auch gar nicht erst hören. »Mit dir, meine ich. Du bist krank. Was hast du?«
Er seufzte. »Bloß ein paar Geschwüre. Lästig, aber mehr auch nicht.« Er log. Und er sah mir an, dass ich es wusste.
»Geschwüre«, wiederholte er, aber diesmal klang sein Tonfall endgültig.
Ich nickte und hatte plötzlich zu viel Spucke im Mund. Saure Spucke, die ich nicht schnell genug hinunterschlucken konnte. Ich kannte diese Krankheit. Der ganze Körper wurde irgendwann von den Geschwüren aufgefressen. Von außen, von innen ... es gab keine Heilung. Unter der speckigen Kleidung meines Vaters erkannte ich mindestens drei Wucherungen, die so groß wie Säuglingsköpfe waren, daneben einige faustgroße. Wie viele kleine oder nach innen wachsende Geschwüre es gab, konnte ich nicht abschätzen. Ihn so zu sehen, ließ meinen eigenen Bauch kalt und stumpf schmerzen. Absolut klar war, dass Neel recht gehabt hatte: Dieser Mann würde bald sterben. Und - verflucht sollte ich sein - das ging mir weit näher, als ich gedacht hatte.
Mein Vater sprach lange. Er erzählte von meiner Mutter, von ihrem Drang nach Freiheiten, die die Stadt nicht bot. Ich erzitterte, während ich zuhörte. War sie mir tatsächlich derart ähnlich gewesen? Es klang so sehr danach, dass mir ganz flau wurde. Die Flucht der ganzen Familie war nicht nur der Wunsch meiner Mutter gewesen, sondern fußte auch auf ihrer Organisation. Nach ihrem Tod hatte Robin das Leben im Clan nichts mehr gegeben, er plante eine Rückkehr mit uns in die Stadt, weil er die ständigen Gefahren satthatte. Mars allerdings erlaubte das nicht. Junge, formbare Menschen waren sein höchstes Gut - die ließ er niemals gehen. Schließlich jagte er Robin davon. Für ein Umkehren war es zu spät, auch das wusste Mars zu verhindern.
Robin erzählte von seinen Jahren in der Stadt, von den Arbeiten, die er verrichtet hatte, davon, dass er irgendwann wieder eine Frau fand, die verwitwet war wie er.
Er erzählte, dass er oft davon geträumt hatte, Penny und mich irgendwann wiederzusehen. Er hatte Pläne geschmiedet, Mars Herrschsucht zum Trotz zurück zum Clan zu gehen, um nach seinen Töchtern zu schauen, aber immer kam etwas dazwischen, mal ein Loch im Dach, mal eine Verletzung, mal die Armut und mangelnde Vorräte. Er verschob die Planungen vom Frühjahr auf den Sommer, vom Sommer auf den Herbst und vom Herbst auf den nächsten Frühling. Und dann kam die Krankheit, und die Geschwüre fraßen erst seine Pläne und dann die Wünsche, einen nach dem anderen. »Gut, dass du heute gekommen bist«, schloss er seine Erzählung. »Heute ist ein guter Tag. Ich kann aufrecht sitzen, sprechen und mich erinnern.«
»Und Salat putzen«, fügte ich heiser hinzu.
Mein Vater lachte leise. »Ja. Da wird Maggy zufrieden sein.«
»Und an den schlechten Tagen?«
Er zuckte resigniert mit den Schultern. »Es soll Tage gegeben haben, an denen ich meinen eigenen Namen nicht mehr kannte. Ich weiß es nicht mehr.« Er kratzte sich am Kopf. »Die Geschwüre«, fügte er hinzu.
Ich verstand. Sie waren auch in seinem Kopf.
Darauf wusste ich nichts zu sagen. Alles, was mir blieb, war, aufzustehen, zu ihm zu gehen und unbeholfen meine Arme
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