dark destiny
nötig hatten, sich denen der Masse zu unterwerfen. Doch dann hatten ausgerechnet die Menschen ihm gezeigt, wohin es führen konnte, wenn man eigenständig dachte, statt zu tun, was von einem verlangt wurde.
Vielleicht sollte er den Neel mit der gesunden Haut einfach aus seinem Gedächtnis streichen. Er war zu emotional gewesen, zu risikofreudig, hatte geglaubt, klug und überlegt zu agieren. Was die Katastrophe erst heraufbeschworen hatte.
Man konnte ihm vorwerfen, für Joy unvorsichtig geworden zu sein. Man konnte ihn einen Idioten nennen. Aber er war nicht so dumm gewesen, vor der idiotischen Unvorsichtigkeit nicht auf Nummer sicher zu gehen und im Chivvy einen Soldaten einzufangen und an der Stadtgrenze abzugeben. Er war der Erste gewesen, der einen der Gejagten abgeliefert hatte - offiziell hatte er in dem Augenblick den Titel Hauptmann im Jahre 40 erhalten aber statt sich feiern und mit Gebrautem übergießen zu lassen, war er erneut ins Chivvy zurückgekehrt. Riskant, natürlich. Aber nicht wider die Regeln. Und so war ihm sein hoher Rang und die Befehlsgewalt über alle anderen Chivvy-Teilnehmer auch dann noch sicher gewesen, als er zum Gefangenen der Rebellen wurde.
Hätte er doch weniger überlegt und wäre Joy blindlings nachgestürmt. Dann wäre er jetzt tot oder ein Niemand unter seinesgleichen. Einen Niemand hätte die Triade gar nicht erst bei den Rebellen ausgelöst. Er wäre ein Leichnam. Wäre das nicht besser als ein Hauptmann, der angesichts seines Titels den Kopf einzog?
Er hatte sich zu sehr an die Ironie des Schicksals gewöhnt, um sich darüber noch zu amüsieren. Darüber hinaus fiel ihm das Amüsieren seit dem Chivvy enorm schwer. Worüber sollte man lachen, wenn es schon schwerfiel, die Faust zu ballen, weil sich die Haut über den Fingerknöcheln beim Verheilen zu Narben verflochten hatte und dadurch zu eng geworden war? Im Inneren dieser Haut fühlte es sich nicht besser an. Etwas fehlte Neel, war einfach aus ihm herausgerissen worden, und dennoch, ähnlich einem Phantomschmerz, quälte es ihn. Er gestand es sich ungern ein, aber es war Joy. Doch Joy war weit weg, sie war ihm nicht in die Stadt gefolgt, hatte sich gegen ihn entschieden und alle Erklärungen wurden zu unnötigen Selbstgesprächen, leeren Worthülsen, die nichts bewegten, nichts änderten. Sein Leben war starr geworden, starr wie seine Haut.
Der erste Präsident, der älteste, der seinen Platz heute räumen würde, begann zu reden. Er sprach über bewältigte Schwierigkeiten mit aufsässigen Stadtmenschen, über zerschlagene Rebellenclans, über die aus verlässlichem Gehorsam geborenen Erfolge und den standardisierten Wohlstand der heutigen Zeit.
Neel hörte kaum hin. Er kannte die Phrasen bereits vom letzten Präsidentenwechsel. Es schien unvermeidlich, dass das scheidende Stadtoberhaupt noch einmal daraufhinwies, dass in den Jahren seiner Herrschaft alles besser geworden war. Vor drei Jahren war Neel zum ersten Mal bei der Verkündung dabei gewesen und dementsprechend beeindruckt. Heute erkannte er, wie leer das Gerede der mächtigen Männer auf der Empore war.
Er wusste, dass die Zerschlagung des genannten Clans keineswegs das Ergebnis kluger Kriegstaktik war, sondern eines internen Streits unter den Rebellen. Aber so waren die Präsidenten: Niemand konnte ihnen widersprechen, also legten sie alles als ihre eigenen Erfolge aus. Was sie nicht im Griff hatten, wurde nicht erwähnt. Kein Wort würde an diesem Abend über die fremden Percents fallen, die von jenseits des Meeres gekommen und getötet worden waren.
Neel wünschte sich auch deshalb, dass Cloud zum Präsidenten ernannt wurde, weil er dann über seinen Mentor vielleicht ansatzweise erfuhr, wie man innerhalb der Triade diese Themen besprach. Sprach man in diesem illustren Kreis überhaupt? Wenn er in die Augen der Männer auf der Empore sah, hatte er das Gefühl, sie würden sich gegenseitig genauso anlügen, wie sie es bei allen Untertanen taten.
Ohne den Kopf zu bewegen, richtete Neel seinen Blick auf Cloud. Ob er in der Triade finden würde, wonach er suchte? Warum wurde er das Gefühl nicht los, dass er seinem Mentor wünschen sollte, das Präsidentenamt wider Erwarten doch nicht zu bekommen?
Der erste Präsident hatte sich offenbar genug selbst gehuldigt. Er gratulierte dem zweiten, der gleich seinen Platz einnehmen würde, und danach dem dritten Mitglied der Triade, das ab sofort der zweite Präsident sein würde. Er wünschte ihnen Erfolg und
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