dark destiny
eine ausreichend harte Hand. Dann machten alle das Zeichen für Respekt, jedoch ohne dabei die Worte zu sprechen, die den Gesten früher eine Bedeutung gegeben hatten. Man hatte sie beinahe vergessen, außer dem Zeichen - ein Symbol für die Überlegenheit der Percents und die Unterwerfung der Menschen - war nichts übrig geblieben. Früher hatten die Percents das Zeichen gemacht, als sie um ihre Freiheit kämpften. Inzwischen kämpfte man nur noch um Macht und immer mehr Macht.
Freiheit bedeutete nichts mehr. Die Freiheit war im Krieg gefallen.
Schade drum. Doch man konnte nie verhindern, dass während der Kämpfe auch Unschuldige starben. Die Freiheit, die gute alte Freundin, war im Friendly Fire gefallen.
Der scheidende Präsident trat an den Rand der Empore. Wie von Fäden geführt, hoben alle Anwesenden eine Hand, ballten die Faust und erwiderten das Zeichen für Respekt. Auch Neel tat es ihnen gleich, es gab im Kreise der Percents, unter aller Augen, keine Möglichkeit, etwas anderes zu tun.
Der Blick des Präsidenten glitt über die Menge. Bei Neel verharrte er. Verengten sich die Lider des Mannes? War es Abscheu, was sich in seiner Miene zeigte? Neel erwiderte den Blick ruhig, er durfte sich den Ärger über das provokante Starren nicht anmerken lassen. Obwohl ... wenn die Amtszeit eines Präsidenten mit einer öffentlichen Beleidigung endete, würde das sicher in die Geschichte eingehen. Was hatte er denn schon zu verlieren? Neel regte sich nicht, aber er war sich sicher, dass ein Grinsen in seinen Augen zu erahnen war.
Der Präsident schlug die Augenlider nieder. Als er sie wieder hob, klebte sein Blick auf Cloud. »Die Entscheidung«, Neel fiel erstmals auf, wie nasal seine Stimme klang, »fiel leicht und einhellig. Cloud.« Er verbeugte sich ansatzweise. Ein Raunen ging durch die Menge. »Tritt vor, wenn du willens bist, unsere Entscheidung anzunehmen.«
Neel ballte beide Hände zu Fäusten. Ob es Entsetzen war, was ihn dazu brachte, oder Triumph, war ihm nicht klar. Vermutlich war es beides sowie die Frage, was wohl passieren würde, sollte Cloud jetzt Nein sagen.
Es war, als würden alle vierhundert Percents ein Stück zur Seite oder zumindest von einem Fuß auf den anderen treten. Eine Gasse wurde gebildet, durch die Cloud nach vorn trat. Als er die erste Reihe der Percents passierte, beugte sich der scheidende Präsident vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Cloud schritt aus der Menge heraus und der Präsident ging mitten in sie hinein. Die Gasse schloss sich wieder - der ehemalige Präsident war ein Teil von ihr geworden. Neel konnte ihn nicht mehr sehen, er schien nicht mehr wichtig-
Er beobachtete Cloud, der über drei Treppenstufen auf die Empore stieg, leise Worte mit dem ersten und dem zweiten Präsidenten wechselte, zum Stuhl des dritten Präsidenten - zu seinem Stuhl -trat und in Richtung der Menge das Zeichen für Respekt machte.
Neel erwiderte die Geste. Dann sah er nach links und rechts. Doch in den Gesichtern der Männer war nichts zu erkennen, weder Ablehnung noch Erleichterung, kein Zweifel und keine Hoffnung. Für sie war Cloud ein Präsident wie jeder andere auch.
Neel war unschlüssig, was zu denken, was zu fühlen nun das Richtige war. Sein Mentor, den er allen Zwistigkeiten zum Trotz liebte, hatte sein großes Ziel erreicht. Vielleicht würde er kein Präsident wie alle anderen sein, vielleicht würde er etwas von dem erreichen, was er sich vorgenommen hatte. Mehr Gerechtigkeit. Verständnis. Ein besseres Zusammenleben.
Neel wagte nicht mehr zu hoffen, dass Cloud diese Ziele erreichte. Er dachte mit aller Konzentration daran, wie sehr er sich vor dem Chivvy nach den gleichen Zielen gesehnt hatte. Ein besseres Land. Ein Land für Joy und ihn, für Edison und Graves und Alex und ... Wie hieß sie? Ach ja, Amber.
Er gab sich größte Mühe - allergrößte -, die zu eng gewordene Haut zu ignorieren, die steifen Gelenke, die ineinander verkanteten Gedanken. Versuchte, das Positive zu sehen und wieder wie früher an Cloud und seine Pläne zu glauben. Doch im Gegensatz zu seinem Mentor wusste Neel inzwischen, dass den meisten Menschen überhaupt nichts am Frieden lag. Matthial und Jamie hatten bloß mehr Macht gewollt, sie waren nicht anders als die Präsidenten. Wie sollte man mit den Menschen ein besseres Land aufbauen, wenn sie sich von solchen Männern anführen ließen?
Sein kleines bisschen Zuversicht war chancenlos inmitten leichenblasser Resignation. Es verlosch
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