dark destiny
Hauptmann darf das.«
»Hauptmann Hochverräter darf das?«, neckte ich ihn. »An deiner Stelle wäre mir mein Leben zu wichtig, um damit zu spielen. Nicht aus solch einem Grund.«
»Es gibt bessere Gründe? Das bestreite ich.«
»Zwingendere. Ich wäre nämlich leicht enttäuscht, dich auf so endgültige Weise zu verlieren, nach allem, was ich auf mich genommen habe, um dich wiederzufinden.«
»Das ist allerdings ein gutes Argument.«
»Ich weiß. Also glaub deinem klugen Weibchen und sei endlich leise, damit wir keinen Ärger kriegen und niemand sein Leben opfern muss. Die Stadt wird gleich erwachen, wir sollten aufpassen, dass uns auch da draußen niemand hört.«
»Ich wüsste da etwas, das wir tun könnten, ohne einen Laut von uns zu geben.« Neel machte sich behutsam von mir los, stand auf, trat zum Fenster und zog sorgfältig die Vorhänge zu. Kaum dass das fahle Frühmorgenlicht ausgesperrt war, verdichteten sich unsere Schatten und begannen wieder ihr hemmungsloses Spiel im Schein der Kerze.
»Ohne einen Laut?«
Er legte einen Finger auf seine Lippen und nickte. Dann faltete er meine Decke auseinander, die am Fußende des Bettes lag, und wies mich an, mich auszustrecken. Ich schälte mich rasch noch aus meiner Hose; mein bekleckertes Hemd hatte ich zuvor schon gegen ein einfaches Leibchen getauscht. Er legte sich neben mich, breitete die Decke über uns aus und steckte sie - wie früher - unter meiner Hüfte fest, damit er sie mir nicht im Schlaf, beim ersten Herumdrehen, unbeabsichtigt wegnahm. Mit einem kurzen, gezielten Atemstoß blies er die Kerze aus. Ich inhalierte den Duft, den die sterbende Flamme zurückließ. Unsere Schatten verschwanden im Dunkeln. Neel zog mich an sich, drückte meinen Kopf sanft an seine Brust und schloss mit den Fingerspitzen meine Augen.
Ich lag lange bewegungslos da, lauschte seinem Atem, unseren müder werdenden Herzschlägen und meiner inneren Stimme, die zeterte und zweifelte und überhaupt nicht glauben konnte, dass es wahr war, was mein ganzer Körper fühlte.
Er war bei mir. Haut an Haut, dicht an dicht.
Eine Weile fragte ich mich, ob er Erwartungen an diese Nacht (die ein Morgen war) stellte. Wollte er nicht mit mir schlafen? Zweifelte er noch? Oder wusste er vielleicht ebenso gut wie ich, dass wir nichts überstürzen mussten?
Ich tastete behutsam über seinen Bauch nach unten, näherte mich dem Bund seiner Hose und fuhr ein kleines Stück darunter. Alles, was er tat, war, mich festzuhalten, sanft und stark zugleich, wie es nur Neel konnte. Und weil ich mich so wohl und sicher fühlte und sich mein erschöpfter Körper von Neels Armen nur allzu gerne verführen ließ, fielen mir bald die Augen zu. Ich schlief tief und fest und wohlig warm behütet wie ein glatter, runder Stein, der in der Sonne liegt. Und ich träumte von Schatten, die über Fragen redeten, die man nicht stellte, über Witze lachten, die nicht lustig waren, und die sich wild liebten und die ganze Nacht lang Pläne schmiedeten. Denn Schatten können all das. Schatten müssen nichts verschweigen. Und Schatten müssen niemals schlafen.
25
»ich sehe dich heute abend.«
Als ich erwachte, war ich allein. Die Vorhänge waren zugezogen und somit hatte ich keine Möglichkeit, die Zeit abzuschätzen, denn durch den Stoff drang kaum Licht. War es noch Morgen und der Himmel von Wolken verhangen oder hatten sie ihn bereits mit Dark Canopy verdunkelt? Es hätte mich nicht gewundert, wenn es schon wieder Nacht gewesen wäre. Ich fühlte mich, als hätte ich so lange und gut geschlafen wie noch nie in meinem Leben. Mir war, als käme ich nach einem Koma wieder zu mir.
Für einen Moment erfasste mich eine schreckliche Furcht. Was, wenn ich alles nur geträumt hatte? War Neel wirklich hier gewesen? Meine Erinnerung war noch verschwommen, konfus, wie es sonst nur Träume sind. Aber dann fiel mein Blick auf den Holzknopf, der neben mir auf dem Laken lag, und mit einem Schlag wurde mein Kopf wieder klar. Neel war bei mir gewesen. Und nun war er wieder fort.
Ich schwebte zwischen Besorgnis und Enttäuschung. Warum hatte er mich nicht geweckt? Vermutlich war die Erklärung in den gestrigen Geschehnissen zu finden: Er hatte seine Arbeit und sein Zimmer verloren - natürlich durfte er heute keine Zeit mit Schlaf verschwenden, denn er musste für beides Ersatz suchen. Heimlich bei mir zu übernachten, war keine Dauerlösung. Weder wollte er mich in Schwierigkeiten bringen noch sich abhängig von mir wissen.
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