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dark destiny

dark destiny

Titel: dark destiny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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fallendes graues Seidentuch über die Stadt. Es sah nach Schnee aus, nach viel Schnee, vielen Wolken und keinem Augenblick Sonne. Es war mir selten so egal gewesen.
    »Neel?«
    Er nickte, fasste mit beiden Händen in seinen Kragen und zog sein Hemd auf. Ein Knopf sprang ab, Stoff riss mit einem kaum vernehmlichen Ratschen. Wenn dies wahrhaftig sein einziges Hemd war, dann hatte er diesen Umstand wohl noch nicht registriert. Vielleicht war er auch nur deshalb so unvorsichtig, weil seine Hände zitterten und er nicht wollte, dass ich es bemerkte. Aber das war nur eine Vermutung.
    Ich legte meine Hände auf seine Oberarme und drehte ihn behutsam zu mir. Ich hatte unter allen Umständen vermeiden wollen, mir meine Erschütterung anmerken zu lassen, dennoch entwich mir ein Keuchen. Die Haut über seiner Brust sah aus wie das bronzene Gegenstück zum silbernen, verkraterten Mond. Hauchfeines Narbengeflecht erstreckte sich bis zu seinem Unterbauch. Dort, wo einst Lamellen die Haut überzogen hatten, erkannte ich tiefe Furchen. Ich hob eine Hand, näherte sie seinem Körper und verharrte davor, ohne ihn zu berühren. Neel verstand, nahm meine Hand und führte sie, bis meine Finger gegen seine Haut stießen. Ich biss mir auf die Lippe und ermahnte mich, ruhig zu atmen. Er fühlte sich eigenartig an, unwirklich, als würde sich Neel unter einer dünnen Schicht verbergen, die nicht zu ihm gehörte; Haut, die ihn bedeckte, aber nicht seine eigene war. Ich spürte die festen Muskeln über seinen Knochen, darüber hartes Hautgewebe.
    »So schlimm?«, fragte er heiser.
    Ich konnte nicht anders, als ehrlich zu sein. »Erschreckend. Es fühlt sich so fremd an.«
    »Ja, das ist mir auch schon aufgefallen.«
    Sein Humor erleichterte mich und machte mich mutig. »Aber auch ... wunderschön. Es sieht aus wie verbrannter, ausgetrockneter Boden, Bomberland, kurz bevor die ersten Pflanzen es zurückerobern.«
    Neel grinste spöttisch über meine Worte, aber ich nahm seine Erleichterung wahr.
    »Pflanzen? Joy, ich weiß nicht, ob mir die Vorstellung von Pflanzen auf meiner Brust gefällt.«
    »Der Winter ist hart, Percent«, sagte ich ernst. »Man muss dankbar sein für alles, was man hat.«
    Seine Schultern bebten vor Lachen. Ich streifte ihm das Hemd über die Oberarme, begutachtete seine Schultern und die Außenseiten seiner Arme, die ebenso gezeichnet waren. Seine Oberschenkel waren ebenfalls vernarbt, die restliche Haut allerdings glich den Innenseiten seiner Arme und der Haut an Hals und Nacken. Fast unversehrt. Alles in allem war ich von den Spuren, die er gezwungen war zu tragen, gleichermaßen geschockt wie erleichtert. Ich hatte es mir nicht so schlimm vorgestellt und gleichzeitig schlimmer.
    »Was sagst du?«
    »Percent«, gab ich betont lässig zurück, »ich würde dich selbst dann noch gerne ansehen, wenn du ein grünes Karomuster auf dem Hintern hättest.«
    »Ich habe dir meinen Hintern doch noch gar nicht gezeigt. Woher weißt du von den Karos?«
    »Kannst du nicht mal für einen Moment ernst sein?«
    Er machte zumindest ein ernstes Gesicht, während er den Kopf schüttelte. »Bedaure. Nein. Nicht heute.«
    »Dann ...« Ich schluckte. »Dann kannst du damit leben?«
    In seinen Augen war für einen Sekundenbruchteil die Wahrheit zu erkennen: Habe ich denn eine Wahl?, aber Neels Mund grinste mal wieder auf diese etwas zu unbekümmerte Art. »Ich kann sogar damit lieben. Sag nicht, das wäre nicht deine nächste Frage gewesen.«
    »Wie kommt es eigentlich, dass du so überzeugt von deinen Fähigkeiten als Liebhaber bist?«
    »Erfahrung.« »Ach?« Das versprach interessant zu werden. »Erfahrungen mit wem?«
    Er lachte laut auf, ein wenig zu laut, aber ich schob es auf seine Nervosität. Ich war ja ebenfalls vollkommen aufgekratzt vor Glück, ihn endlich wiederzuhaben.
    »Mit dir, Joy, nur mit dir, anderenfalls hätte ich wohl kaum den Mut, mich damit vor dir zu brüsten.«
    Ich beugte mich zu ihm, so weit, dass ich sein Haar an meiner Wange spürte, und flüsterte ihm ins Ohr: »Du bist viel zu laut, Percent. Wenn Morton uns hört, bricht hier der Himmel über uns nieder.«
    Völlig unerwartet ließ er sich nach hinten sinken, bis er nur noch auf seine Ellbogen gestützt dalag. Ich verlor mein Gleichgewicht und kippte auf ihn. Meine Brust auf seiner, meine Hände an seinen Seiten.
    »Wenn der Herbergsvater mich nervt, schicke ich ihn auf und davon. Du hast gehört, dass er mich noch immer für einen Hauptmann hält. Und ein

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