dark destiny
Dazu war Neel zu stolz.
Ich streckte die Beine aus und setzte sie auf den Boden. Neben meinen nackten Zehen fand ich den letzten Beweis, dass die Nacht kein Traum gewesen war, und den ersten Hinweis darauf, dass auch Neel sie nicht bereute.
Ich sehe dich heute Abend, stand auf einer der Holzdielen, kaum zu erkennen und gleichzeitig ganz deutlich. Er hatte die Worte oberflächlich ins Holz gekratzt und dazu mein Messer benutzt, es lag noch daneben. Unter den Worten fanden sich Linien, die ich erst nicht zuordnen konnte. Doch dann erkannte ich die skizzierten Umrisse einer Malve und spätestens jetzt war mir klar, dass auf meinem Fußboden so etwas wie eine Liebeserklärung stand. Und zwar eine ziemlich romantische - zumindest für einen Percent. Ich musste lachen und dieses Lachen überdeckte auch den Anflug von Traurigkeit, dass er erst am Abend, wenn ich arbeiten musste, zurückkommen würde. Es war so typisch für Neel, einfach das Holz zur Nachrichtenübermittlung zu benutzen, wenn er kein Papier fand oder nicht danach suchen wollte, um mich nicht zu wecken.
Ich schlüpfte in meine Kleider und ging nach unten. Für mein Essen musste ich normalerweise selbst sorgen, aber wenn ich Morton beim Zubereiten der wenigen Speisen half, die er verkaufte, durfte ich mir davon nehmen. Es war eine magere Ausbeute, denn bei den Lebensmittelpreisen in diesem Winter gab es in der Bar nur Suppe. Morton nannte sie abwechselnd Rüben-, Kartoffel-, Möhren- oder Gemüsesuppe, aber enthalten war jeden Tag dasselbe. Wenn er es fertigbrachte, ein Stück Fleisch oder ein paar Knochen aufzutreiben, die wir auskochen konnten, nannten wir es Fleischeintopf und verkauften die Portionen so schnell, dass der Kessel schon eine Stunde nachdem wir öffneten, leer war.
Morton warf mir skeptische Seitenblicke zu, als ich mich zu ihm in seine enge Küche gesellte und nach einem Messer griff, um die Rüben zu putzen.
»Bist spät«, grummelte er, nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten.
»Bin da«, gab ich im gleichen Ton zurück. Was wollte er eigentlich mehr?
Er knurrte und ich wandte mich dem Kessel zu, damit er mich nicht grinsen sah. Seine neugierigen Fragen flatterten wie hungrige Vögel um ihn herum, aber er war nicht der Typ, der sich irgendwann überwand und den Mund aufmachte, und so arbeiteten wir schweigend weiter, bis alles, was er eingekauft hatte, im Kessel verschwunden war. Eimerweise kippte ich Wasser aus dem Hahn dazu, der entweder ständig tropfte oder überhaupt nichts hergab, wenn wieder einmal die Leitungen zugefroren waren. Morton schüttete etwas Salz in den Topf - am Abend würde er noch einmal tüchtig nachsalzen, damit die Gäste mehr tranken.
Ich hatte nicht die Geduld zu warten, bis die Suppe fertig war, also nahm ich mir nur ein paar Möhrenstrunke. Viel Hunger hatte ich ohnehin nicht, mein Magen war gefüllt mit einem seltsam flauen Gefühl, als hätte ich zu viel Seewasser und einen kleinen Fisch dazu verschluckt. Morton betrachtete mein mageres Mahl argwöhnisch.
Als ich mich verabschiedete, räusperte er sich vernehmlich. »Du kommst aber schon wieder, he?«
»Klar. Heute Abend, wenn du öffnest, bin ich da.«
»Hm«, machte er. Zufrieden schien er nicht. Er hatte mich tags zuvor für die ganze Woche bezahlt und fürchtete nun wahrscheinlich, dass ich der Meinung sein könnte, mit den paar Münzen ausreichend weit zu kommen. Für wie dumm hielt er mich?
»Ich lass dich schon nicht hängen«, sagte ich und lächelte ihn an. Seine Wangen wurden etwas dunkler. Ich hatte immer gedacht, Neel wäre der einzige Percent, dem das Blut ins Gesicht schießen konnte, aber offenbar hatte ich mich geirrt. Oft fragte ich mich, wie alt der Wirt wohl sein mochte. Das Alter war den Percents kaum anzusehen. Jahrzehnte über schienen sie kaum zu altern und dann ging es plötzlich sehr schnell. Morton konnte ich, genauso wie Cloud, unmöglich einschätzen. Älter als Neel und Graves waren sie in jedem Fall. Aber ob sie nun Mitte dreißig, Mitte vierzig oder schon sechzig waren, ließ sich nicht erkennen.
»Du machst halt ganz gute Arbeit«, grummelte Morton. »Wäre dumm für mich, wenn der Hauptmann kommt und ...«
»Und?«
Doch er sprach trotz meiner Nachfrage nicht weiter. Alles, was ich als Antwort bekam, war ein Grunzen.
»Ich komme wieder«, versprach ich.
Doch wie lange noch? Ich hatte diese Arbeit angenommen, um Neel zu finden. Das hatte ich geschafft. Wollte ich nun weiter unverschämten Percents Gebrautes und
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