dark destiny
besaß zwei Garnituren Unterwäsche, zwei Hosen, zwei Paar Strümpfe, von denen eines dünn und fadenscheinig geworden war, ein Hemd, einen Pullover und meine Kaninchenfelljacke. Wirklich mir gehörte nur die Hälfte davon, die Wechselsachen hatte ich von Alex und ich hegte den Wunsch, ihr alles zurückzugeben. Ich hatte kein grundsätzliches Problem damit, jemandem etwas schuldig zu sein, nur bei Alex sah das anders aus.
Es störte mich nicht, wenig zum Anziehen zu haben. Ich hatte selten in meinem Leben mehr besessen und hin und wieder sogar weniger. Es war mir allenfalls lästig, in klamme Sachen steigen zu müssen, wenn die eine Garnitur gewaschen werden musste und die andere noch nicht ganz trocken war.
Aber jetzt, da ich dieses Kleid zum Greifen nah vor meinen Händen hängen sah, konnte ich nicht anders, als mir auszumalen, es am Körper zu tragen. In meiner Vorstellung war ich keine Rebellin und kein Soldat. Ich war einfach schön, so schön ich eben sein konnte. Ein bisschen dieses längst verlorenen Wunschs stieg in mir hoch und kitzelte mich in der Brust.
Ich warf einen verstohlenen Blick in Richtung der Verkäuferin. Sie musterte mich mit Argwohn. Es kam sicher nicht oft vor, dass völlig Fremde in ihrem Laden erschienen und die Wäsche anschmachteten. Ich sah leider auch nicht aus wie eine Frau, die auf ihr Aussehen Wert legte. Zum Glück hatte ich mir wenigstens das Haar gekämmt.
Zweifelnd trat ich zurück zu dem Kleid. Es kostete wirklich nicht viel - aber ich besaß nur unwesentlich mehr als nichts. Ein kleiner Hauch Zugluft bewegte den Stoff. Ich machte den fatalen Fehler, mir vorzustellen, wie Neels Hände sich wohl auf meiner Haut anfühlen würden, wenn nur dieser feine Stoff uns trennte.
Die Sache war entschieden.
Ich berührte gerade ganz behutsam den Saum des Kleides, da erschien die Verkäuferin dicht neben mir.
»Willst du es anprobieren?«, fragte ihr Mund. Der Rest ihres Gesichts sagte dagegen: Willst du nicht lieber sofort hier verschwinden, faules Bettelpack?
Ich lachte, einfach nur aus Freude. »Ich will mir doch nicht den Tod holen! Das passt mir schon, ich will es kaufen.«
Ich verließ das Geschäft nach zähen Verhandlungen mit dem
Kleid und einem Paar Strümpfen, eingeschlagen in grobes Papier, das ich ebenfalls gut gebrauchen konnte. Dafür war ich nun um eine hart erarbeitete Münze ärmer, besaß allerdings den Gürtel und die Wasserflasche nicht mehr, die ich dem toten Wachmann abgenommen hatte.
In meinem Inneren lieferte sich mein Verstand eine wilde Schlacht mit dem angenehmen Gefühl in meinem Bauch, etwas Schönes zu besitzen. Mein Verstand schimpfte mich eine Idiotin. Es schneite schon wieder - kleine, vom Wind scharf geschliffene Flocken, die mir ins Gesicht pikten. Es schneite, die Nahrung ging in der ganzen Stadt zur Neige und ich hatte ein Sommerkleid gekauft. Mein Gewissen bekam durchaus dunkle Flecken, aber ganz bereuen konnte ich den Kauf auch nicht. Ich besaß nun etwas Eigenes, etwas, das keinem besonderen Zweck diente, außer dass ich mich hübsch darin fühlte.
Mir wurde plötzlich sehr kalt, als ich mich an meinen letzten Besitz erinnerte, der ähnlichen Zwecken gedient hatte. Ich musste an meine wilde Malve denken, die Neel mir geschenkt hatte.
Sie war mir so wichtig gewesen. Und ich hatte sie kaputt gemacht.
26
ich habe ein schiff.
»Heilige Scheiße, wie siehst du denn aus? Wen hast du zur Strecke gebracht und wer kommt, um ihn zu rächen? Müssen wir die Stadt verlassen oder reicht es, dich für drei Monate in meinem Keller zu verstecken?« Graves' Begrüßung war herzlich wie in alten Zeiten und ebenso vertraut fühlte sich sein Handschlag an.
Neel hatte sich vor dem Wiedersehen gefürchtet und musste nun beschämt erkennen, dass es dazu keinen Anlass gab. Außer dem Konflikt, den er selbst mitbrachte. Der Abend würde noch hässlich werden, daran führte kein Weg vorbei.
»Er hat bis zur letzten Faser gekämpft und ist einen Heldentod gestorben«, erwiderte Neel und öffnete seinen inzwischen kurz geschnittenen Zopf, um sich die Sägespäne aus dem Haar zu ziehen. »Der Baum war ein fairer Gegner, aber der Stärkere hat gesiegt.«
Graves nickte wissend, auch wenn er bestimmt nicht durchschaute, wovon Neel sprach. »Wenn das so ist. Komm rein.« Er ließ Neel an sich vorbei in seine Wohnung treten und schloss die Tür.
Neel sah sich um. Nichts hatte sich hier verändert. Die Zimmer waren vollgestellt mit Möbelstücken, die Graves in
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