Dark Future: Herz aus Eis
konnte ein kleines Atemwölkchen vor ihren Lippen sehen, das sich genauso schnell wieder auflöste, wie es erschienen war. Wenn sie atmete, hieß das, dass sie lebte, und wenn sie lebte, bestand die Möglichkeit, dass sie es auch weiterhin tun würde.
Das war also Hoffnung.
Diotoxin. Ein tödliches Gift. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch die Verabreichung dieses Giftes überlebte, war gleich null.
Aber trotz der Logik und aller Wahrscheinlichkeiten hatte er Hoffnung. Raina würde überleben. Sein Blut floss durch ihre Adern. Seine Stärke war in ihr.
Seine Liebe.
Behutsam nahm er sie in die Arme und verschloss seinen Verstand vor dem unfassbaren Schmerz, mit dem sein geschundener Körper gegen jede Bewegung protestierte. Er zwang sich dazu, aufzustehen, die Arme fest um seine kostbare Last geschlungen, und machte sich auf den Weg Richtung Horizont, zu dem Flugzeug, mit dem Bane hierhergekommen war.
Er hatte keine Bedenken, den Besitz eines toten Mannes zu benutzen, das zerstörte Camp und Banes Leiche zurückzulassen, keine Bedenken, seine Aufgabe unerledigt hinter sich zu lassen.
Trey und Sawyer und die anderen würden kommen, um Banes Leute zusammenzutreiben. Yuriko würde kommen. Sie würden das Chaos beseitigen.
Yuriko mochte es ordentlich.
Raina schlug die Augen auf und blickte in ein Licht, das so hell war, dass es weh tat. Ihre Lider fühlten sich rauh und trocken an und kratzten, als sie sie schloss. Sie stöhnte und wandte den Kopf zur Seite.
Ihr war heiß, und ihr gesamter Körper fühlte sich steif und angespannt an. Die Hitze war erstaunlich, doch auf die Schmerzen hätte sie gern verzichtet.
Mit den Händen strich sie auf der Suche nach dem Verschluss für ihre Thermokleidung über ihren Körper. Sie war wie betäubt und so schwach. Ihre Finger glitten träge über Stoff und Haut. Haut? Mit einem erschrockenen Aufschrei richtete sie sich auf, ehe sie wieder zurücksank und gegen eine Welle von Übelkeit und Schwäche ankämpfte.
Es gab keinen Verschluss. Im Grunde genommen trug sie nicht mehr als einen dünnen, ärmellosen Fetzen Stoff, der ihr nur bis knapp über die Hüften reichte.
»Trink das.« Wizards abgeklärte, ruhige Stimme erteilte ihr einen Befehl. Einige Dinge änderten sich nie.
Hoffnung flackerte in ihr auf. »Entweder bin ich … nicht tot … oder … du bist … mit mir zusammen tot.«
Die Worte, die als Scherz gemeint waren, kamen nicht an. Ihre Stimme war so heiser, dass sie kaum sprechen konnte, und so war der Satz nicht mehr als ein unverständliches Krächzen gewesen.
»Trink.«
Sie spürte, wie die Unterlage, auf der sie lag, sich unter seinem Gewicht neigte. Ein starker Arm hob sie an, und der Rand eines Bechers wurde an ihre Lippen geführt. Der erste Schluck des kalten Wassers war wie Ambrosia, die ihre staubtrockene Kehle hinabfloss, und sie legte den Kopf etwas weiter in den Nacken, um so viel zu trinken, wie sie konnte.
»Langsam.«
Das war Wizard. Der Typ war das reinste Plappermaul. Daran musste er auf jeden Fall noch arbeiten.
Sie öffnete die Augen, wartete, bis ihr Blick klar wurde, und nahm dann jede wohlgeformte Ecke und Kante seines Gesichts in sich auf. Sie strich mit der Hand über seine Seite, seine Wange, seine Brust und staunte einfach darüber, dass er da war und unversehrt. Herrlich, wundervoll lebendig.
Sie ließ ihre Hand auf seiner Brust liegen, auf der schon fast verheilten Narbe, die Zeuge der Wunde war, die ihn fast das Leben gekostet hatte. Ihr Arm zitterte, protestierte gegen die Bewegung, und sie ließ ihn sinken.
Verflucht.
Sie fühlte sich, als würde sie durch Teer schwimmen, und jede noch so kleine Regung wurde zu einer unglaublichen Anstrengung. Schnell verlor sie den Kampf und bemerkte, dass sie in eine tiefe Bewusstlosigkeit sank.
Als sie wieder aufwachte, war Wizard an ihrer Seite. Tränen sammelten sich in ihren Augen und rannen ihr über die Wangen.
»Du lebst«, flüsterte sie.
»Bestätigt.«
»Und ich lebe auch noch.«
Er nickte, den Blick auf die Wand hinter ihr gerichtet.
Unsicherheit ergriff sie. Warum sah er sie nicht an?
Dann neigte er den Kopf und blickte ihr in die Augen. Und in dem Moment
wusste
sie es, denn in den stürmischen Tiefen seiner grauen Augen erkannte sie einen unendlichen Schatz an Gefühlen, die wie in aufgewühlter See durcheinanderwirbelten.
Sie schluckte, war fasziniert und wie gebannt.
»Es war …
inakzeptabel,
dass du stirbst.« Sein Blick bohrte sich in sie. »Die
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