Dark Future: Herz aus Eis
knappe, scharfe Drehung mit der Hand. Luc heulte auf und beugte sich nach vorn. Raina blickte über seine Schulter, einen Moment lang von einem vorbeihuschenden Schatten abgelenkt.
»Ich bin da etwas eigen, was meinen persönlichen Bereich angeht«, sagte sie, bewegte sich zur Seite und verstärkte ihren Griff an seine Kronjuwelen noch. »Ich mag es nicht, wenn Leute mir zu nahe kommen. Überhaupt nicht.«
Mit der freien Hand nahm sie einen Metalltopf von der Anrichte, ausnahmsweise einmal froh, dass ihr Zuhause so beengt war. Und ohne zu zögern schlug sie Luc damit auf den Kopf. Zufrieden beobachtete sie, wie er zu Boden sackte.
»Der ICW ist kein Ort für ein Mädchen«, wiederholte sie ärgerlich Wizards Worte und hob den Blick, als der Schatten, den sie kurz vorher wahrgenommen hatte, sich bewegte und Gestalt annahm. »Du hättest ruhig mal deine Hilfe anbieten können.«
Wizard lehnte im Eingang zur Kabine und sah sie an. Seine grauen Augen funkelten. Sein Lächeln war eine kontrollierte Bewegung seiner Lippen, ein bisschen steif, so als wüsste er nicht genau, ob er es richtig machte. Eine Sekunde lang vergaß sie den widerlichen Trucker, der bewusstlos ausgestreckt auf dem Boden lag. Sie konnte nur noch daran denken, dass Wizard, wenn er lächelte, wenn seine weißen Zähne aufblitzten und auf seiner Wange ein sexy Grübchen erschien, zu perfekt war, um wahr zu sein. Mit einem scharfen Zischen atmete sie aus.
Gott, warum dieser Mann? Es war das Letzte, das absolut Letzte, was sie im Moment brauchte – eine sinnlose Verliebtheit in einen nutzlosen Gun Trucker, der noch nicht einmal die Lizenz beschaffen konnte, die er ihr versprochen hatte.
»Du hast nicht so gewirkt, als würdest du meine Hilfe brauchen«, sagte er mit einer Stimme wie Rauch und Samt.
Sie blinzelte und versuchte, wieder in die Realität zurückzufinden. »Tja, jetzt könnte ich sie gebrauchen. Schleif ihn raus zu seinem Truck …«
»Ja, Ma’am«, unterbrach er sie. »Soll ich ihn draußen im Schnee liegenlassen?«
»Ich steh nicht auf Mord.« Sie dachte an Sam, die Dunkelheit, den eisigen Wind, die Kälte und das Blut. »Was, meinst du, würde ihm bei diesen Temperaturen passieren?«
Wizard verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, und für eine Sekunde bereute sie, so viel preisgegeben zu haben. Was würde er mit dem Wissen anfangen, dass sie ein Problem damit hatte, jemandem das Leben zu nehmen? Aber nein, ermahnte sie sich selbst. Er war dumm genug gewesen, die Lizenzen direkt bei
Janson Transport
zu stehlen. Niemals würde er in sie hineinblicken und verstehen können, wie sie dachte. Die Bemerkung ging vermutlich über seinen Horizont.
»Die Temperatur draußen beträgt minus sechsunddreißig Grad.« Seine Stimme klang ausdruckslos. »Zuerst resultiert unbeabsichtigte Unterkühlung – hervorgerufen dadurch, dass der Körper einer entsprechenden Umgebung ausgesetzt ist – in verminderter Wärmeproduktion. Im Ruhezustand produziert der Mensch vierzig bis sechzig Kilokalorien an Wärme pro Quadratmeter seiner Körperoberfläche.«
O-kay.
Überrascht stellte sie fest, dass sein nachdenklicher Gesichtsausdruck nichts mit dem zu tun hatte, was sie gerade ausgeplaudert hatte. Tatsächlich beantwortete er ihre rhetorische Frage. »Und ich muss das wissen, weil …«
»Diesen Temperaturen ausgesetzt zu sein führt zu Erfrierungen. In den Gewebezellen findet die Bildung von Eiskristallen statt. Das bedeutet zelluläre Dehydration, Eiweißdenaturierung, Unterbindung der DNA -Synthese, anormale Zellwanddurchlässigkeit …«
»Äh, Wizard«, unterbrach sie ihn, als er kurz Luft holte. »Ich will nur einfach nicht, dass die Leute von
Janson Transport
noch wütender auf mich sind als ohnehin schon. Durch eine Leiche werde ich in ihrem Ansehen nicht gerade steigen.« Sie lächelte schmallippig. »Aber, äh, danke für die Erklärung über die Gefahren kalter Witterungsverhältnisse. Ich werde es mir merken.«
»Du hast gefragt, was bei diesen Temperaturen mit ihm passiert. Ich habe nur die gewünschten Informationen zur Verfügung gestellt.«
»Äh, ja. Ich meinte es allerdings nicht wörtlich.«
Er legte den Kopf schräg. »Warum hast du dann gefragt?«
»Es war eine rhetorische Frage.«
»Verstanden.« Er nickte knapp. »In Zukunft solltest du das präzisieren.« Er griff Luc unter die Arme und zog ihn nach draußen.
Raina blieb zurück und starrte auf den Platz, wo Wizard gerade noch gestanden hatte. Er hatte sich wie
Weitere Kostenlose Bücher