Dark Future: Herz aus Feuer
packte seine Jacke und zog ihn nahe genug zu sich heran, um ihn küssen zu können. Seine Lippen waren kalt, seine Zunge warm.
»Siehst du?«, murmelte er an ihren Lippen. »Es wäre gar nicht so schwierig, mich zu lieben.«
Nein, dachte sie, als er den Gang einlegte und weiterfuhr. Es wäre nicht schwierig, ihn zu lieben. Und irgendwie war der Gedanke weniger furchteinflößend als zuvor.
Einen Moment später spürten sie die Explosion, die den Truck erschütterte und ihn wie mit einem unsichtbaren Faustschlag nach vorn katapultierte. Pulverisiertes Eis prasselte auf das Dach der Fahrerkabine.
Sie fuhren weiter, und Tristan legte immer wieder Sprengsätze und sprengte Löcher in das Eis, damit die Wale, die ihnen folgten, atmen konnten. So steuerte er mit dem Sattelzug auf den Rand des Packeises zu.
Kurz darauf stieg Tatiana aus dem Truck und beobachtete, wie Tristan noch eine Ladung Cytoplast präparierte. Sie stand auf dem Eis. Über ihr funkelten die Sterne, und der Wind heulte über die flache, weite Ebene. Sie drehte sich um, um nach hinten zu sehen, und bemerkte in der Ferne glitzernde Wasserfontänen, die in den Nachthimmel spritzten. Das Licht des Mondes brach sich in den Wassertropfen, als die Wale in einem der neuen Löcher auftauchten.
»Sie folgen uns«, sagte sie. »Zwar langsam, doch sie folgen uns.«
»Der Lärm der Explosionen macht sie misstrauisch«, vermutete Tristan.
»Aber sie wissen, wo die Löcher sind.« Erleichterung durchströmte sie und löste den Schraubstock um ihr Herz. »Sie werden irgendwann mitkommen.«
»Woher weißt du, dass sie den Weg kennen?«, fragte er mit gesenktem Kopf, während er fieberhaft weiterarbeitete.
»Echolotung.« Sie konnte das schwache Geräusch seines Messers hören, das über das Eis kratzte. »Schallwellen werden vom Eis und dem Meeresboden reflektiert. Dasselbe Prinzip machen sich die Tiere auch zunutze, wenn sie Futter suchen. Was auch immer die Schallwellen zurückwirft, die Tiere wissen dann, wo es ist und was es ist.«
»Was bist du … eine Walexpertin?«
Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören und fühlte, wie sich in ihr ebenfalls ein Lächeln entfaltete. »So etwas in der Art, ja.«
Sie blickte in die Ferne und hielt nach einem weiteren Anzeichen der Wale Ausschau.
»Es muss erschreckend für sie gewesen sein«, sagte sie leise, »gefangen zu sein, ohne durch die Eisschicht brechen oder sich befreien zu können.«
Sie sah, dass er aufgehört hatte zu arbeiten und die Hände still hielt. Er hob den Kopf und schaute sie einen langen Moment an. Seine Augen funkelten wie der sternenklare Himmel. Er sah zu viel, sah Dinge, die sie noch nicht teilen wollte. Und alles, was sie tun konnte, war, seinem Blick standzuhalten und sich im Angesicht der hervorbrechenden Erinnerungen zusammenzureißen.
Dann stopfte er das Cytoplast in die Vertiefung, die er ins Eis geritzt hatte.
»Zeit zu verschwinden.« Er erhob sich und ging zum Truck, und sie lief zur Beifahrerseite und stieg ein.
Das Geräusch einer weiteren Explosion folgte ihnen, als sie weiterfuhren.
»Warum hasst du enge Räume so sehr, Ana?«
Seine Frage erwischte sie unvorbereitet. Sie fühlte sich nackt, ausgeliefert, als würde es sie nur noch abhängiger von ihm machen, wenn sie Dinge von sich preisgab. Es lag eine Gefahr darin, doch andererseits auch das Versprechen von Sicherheit. Sie war klug genug, um das zu wissen.
»Ich …« Sie zögerte, unsicher, ob sie es erklären konnte, und unsicher, ob sie es erklären
sollte.
»Ich habe sehr lange Zeit in einem sehr engen Raum verbracht.«
»Du warst eine Gefangene.« Seine Finger schlossen sich um das Lenkrad, eine kleine Geste, die jedoch sehr vielsagend war.
Seine Beobachtung und seine Schlussfolgerung waren unvermeidlich. Ihre Reaktion auf die Wale hatte sie verraten. Dass er sie so leicht durchschauen konnte und sie verstand, war beängstigend … und zugleich befreiend. Er verstand sie. Wie seltsam.
Oder möglicherweise war es gar nicht so seltsam. Tristan hatte seine eigene traurige Geschichte zu teilen. Sie brauchte kein Fenster in seine Gedanken, um das zu wissen. Die Frage war: War sie mutig genug, ihre Geschichte mit ihm zu teilen? Und war sie mutig genug, ihn nach seiner zu fragen?
Sie schluckte. »Ich war die Gefangene von … Duncan Bane. Mein halbes Leben habe ich in einer Zelle unter seinen Büros in Port Uranium verbracht.«
Tristans Griff um das Lenkrad verstärkte sich noch ein bisschen, aber er
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