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Dark Future: Herz aus Feuer

Dark Future: Herz aus Feuer

Titel: Dark Future: Herz aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Kenin
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schwieg.
    »Bane glaubte, ich könnte die Zukunft vorhersagen. Er glaubte, ich wäre sein Orakel, seine Geheimwaffe. Er glaubte, dass meine Vorhersagen ihn zum Herrscher der Welt machen würden.«
    Kalte Angst traf sie wie ein Schlag. Warum hatte sie das gesagt? Warum hatte sie so viel preisgegeben?
    Tristan wandte ihr den Kopf zu. Seine Augen funkelten in der Dunkelheit. In seinem Blick standen weder Kritik noch Unglaube, nur leises Verständnis.
    »Bane war eine Schlange und ein Mistkerl«, sagte er, »doch er war nicht dumm. Wenn er geglaubt hat, dass du die Zukunft vorhersagen kannst, muss es einen Grund dafür gegeben haben.«
    »Einen Grund.« Ein ersticktes Lachen entrang sich ihr. »Denkst du, dass ich die Zukunft vorhersagen kann? Denkst du, dass so etwas überhaupt möglich ist?«
    »Ich denke, dass du etwas tun kannst, das Bane zu dieser Annahme veranlasste.«
    Was konnte es schaden, es ihm zu sagen? Was konnte er mit dem Wissen anfangen? Im Übrigen
wollte
sie es ihm sagen, ob es nun schaden konnte oder nicht. Sie wollte die Worte loswerden. Sie wollte sich befreien.
    »Ich kann Gedanken lesen. Emotionen lesen. Nicht bei jedem Menschen, aber bei den meisten.« Sie blickte aus dem Fenster, starrte hinauf zum Mond und hinaus auf das Eis. Hinaus auf das sich endlos erstreckende Eis, die weite Ebene, die sie misstrauisch und nervös machte. »Ich konnte Duncan Banes Gedanken gut genug lesen, um ihm den wahrscheinlichen Ausgang eines Geschäftsabschlusses oder seiner politischen Machenschaften zu sagen. Er dachte, dass es bedeutete, ich könnte in die Zukunft blicken. Und da dieser Glaube es war, der mich vor dem sicheren Tod bewahrt hat, ließ ich ihn glauben, was auch immer er verflucht noch mal glauben wollte. Wenn er herausgefunden hätte, dass ich seine Gedanken lesen konnte, hätte er mich umgebracht.« Sie holte tief Luft und erzählte den Rest der furchtbaren Wahrheit. »In meinem Kopf wohnt das Grauen so vieler seiner Verbrechen. Nicht alles – einiges hatte er tief in sich verborgen –, doch genug, damit mich die Bilder verfolgen. Die Morde, die Folter, die Massenvernichtung. Ich kenne sie, ich sehe sie. Und ich habe nie etwas getan, um es zu stoppen. Vielleicht habe ich mit den Ratschlägen, die ich ihm gegeben habe, und den Dingen, die ich ihm gesagt habe, dazu beigetragen, dass alles so geschehen konnte.«
    Da. Es war raus. Eines ihrer Geheimnisse.
    Jetzt wollte sie mal sehen, ob er sie noch lieben konnte.
    Er sah sie an, hielt ihren Blick fest und sagte: »Wenn du wegen des Leids anderer Menschen, die du kennst oder auch nicht kennst, Tränen vergießt, dann bist du mitfühlend. Wenn du nur um diejenigen weinst, die du liebst, wenn du weinst, weil sie gestorben sind, wenn du weinst, weil du sie verloren hast, bist du egoistisch.« Die Worte, die so düster und leise ausgesprochen worden waren, drangen zu ihr durch. »Hast du jemals um dich selbst geweint, meine Ana?«
    Sein Tonfall verriet, dass er die Antwort schon kannte und wusste, dass sie nie um sich selbst geweint hatte. Und dass er sie dafür liebte. Das raubte ihr den Atem, stahl ihn von ihren Lippen und löste in ihr eine Sehnsucht aus, die zugleich schmerzvoll und wunderbar war.
    »Was nützen Tränen?«, fragte sie, um das Schweigen zu beenden.
    Ihr hatten keine Wege offengestanden. Sie hatte sich allein auf das Überleben konzentriert, darauf, jede Nacht, jeden Tag zu überstehen. Wenn sie geweint hätte, wäre es um der Menschen willen gewesen, die in den Zellen um sie herum eingesperrt gewesen waren – wegen ihres Leidens, wegen ihrer Trauer und ihres Schmerzes, wegen ihrer Emotionen, die zu ihren eigenen geworden waren.
    »Sieh mal«, sagte er und zeigte aus ihrem Fenster.
    Sie drehte den Kopf und bemerkte, dass sie parallel zur Kante des Packeises fuhren. Hinter dem Eis erstreckte sich das Wasser, glatt wie Kunststoffglas, schwarz wie der Nachthimmel über ihnen. Riesige Eisberge ragten geisterhaft weiß aus dem Wasser.
    Und dann bemerkte sie noch etwas – etwas Wundervolles. Sie sah die weiße glatte Wölbung eines Walrückens. Frei. Sie waren frei.
    Sie lachte, wandte sich um und warf sich in Tristans Arme. Eng umschlungen, die Körper verbogen und gedreht, damit sie sich zwischen ihren Sitzen umarmen konnten, beobachteten die beiden, wie die Wale in die Freiheit schwammen.
    Nach einer Weile waren die Tiere unter der schwarzen Oberfläche des Wassers verschwunden.
    »Kannst du meine Gedanken lesen?«, fragte Tristan ein

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