Dark Future: Herz aus Feuer
verwirrt.
War das der Beginn einer Freundschaft, dieses Ausloten von gemeinsamen Interessen, dieses geteilte Erstaunen und die geteilte Belustigung?
Sie glaubte es beinahe und speicherte die Erkenntnis als zukünftige Referenz ab.
Fast hätte sie nach Tolliver gefragt, fast nach Wards verstecktem Labor. Dann sah sie in die lächelnden Gesichter, dachte an die finstere Stimmung zurück, die geherrscht hatte, als sie angekommen war, und kam zu der Einsicht, dass sie den Moment nicht zerstören sollte.
Später. Später war noch Zeit genug, um ihre Fragen zu stellen. Und vielleicht würde die Saat der Geselligkeit, die sie jetzt ausgebracht hatte, dafür sorgen, dass sie auch Antworten bekam.
»Kann ich, wenn wir mit dem Frühstück fertig sind, vielleicht eine komplette Führung durch die Anlage bekommen?«, fragte sie und wandte sich an Lamia.
Sie runzelte verwirrt die Stirn, als auf ihre Frage hin erneut schallendes Gelächter ausbrach.
»Erst später«, sagte Lamia. »Du hast nämlich heute Küchendienst. Ich habe dich gestern eingetragen. Wenn du essen willst, musst du dich auch nützlich machen.«
»Küchendienst?«, wiederholte Tatiana und warf Kalen einen verzweifelten Blick zu. »Ich kann Sim-Protein in Streifen schneiden und mit meiner Plasmakanone Wasser zum Kochen bringen. Das fasst mein Können in der Küche auch schon zusammen.«
Sie hatte nie gekocht, weil sie nie eine Küche gehabt hatte, die sie hätte benutzen können. Das Labor, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte, war entworfen worden, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen: Ein Computer hatte sie mit den angemessenen Portionen aller notwendigen Nährstoffe versorgt.
Den zweiten Teil ihres Lebens hatte sie in einer Zelle zugebracht, in der ihr die Mahlzeiten gebracht worden waren.
Oder eben
nicht
gebracht worden waren – je nachdem, wie der Mann, der sie gefangen hielt, sich an dem Tag gefühlt hatte.
In den sechs Monaten in Freiheit hatte Kochen nicht gerade sehr weit oben auf der Liste der Dinge gestanden, die sie lernen musste. Sie begnügte sich größtenteils mit getrockneten Frucht-und-Gemüse-Riegeln, Sim-Protein und Sim-Veggi. Nicht gerade besonders schmackhaft und auch keine Gaumenfreude, aber nahrhaft, und das reichte ihr.
Der Ausdruck auf ihrem Gesicht hatte sie offenbar verraten, denn Lamia tätschelte ihr beruhigend den Arm.
»Küchendienst?«, fragte Tatiana wieder und versuchte nicht einmal, ihr Entsetzen zu verbergen.
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14. Kapitel
A m Abend stieg Tatiana aus der Dusche und dachte bei sich, dass ein Schnelltrockner nicht schlecht wäre. In dem Quartier, das sie vor einigen Monaten vorübergehend an der Station in Gladow gemietet hatte, hatten sie ein solches Gerät gehabt. Sie hatte sich an die Annehmlichkeit gewöhnt, gleichzeitig zu duschen, die Wäsche zu waschen und dann trocken aus der Kabine zu treten.
Sie sah sich in dem winzigen Bad um und fand ein paar Ersatzhandtücher auf einem Regal unter dem Waschbecken. Sie hatte mit ihrem Messer in der Hand geduscht – ein Mädchen konnte nicht vorsichtig genug sein –, und jetzt trocknete sie es sorgfältig ab und wischte mit dem weichen Stoff über die Klinge und den Griff.
Kurz darauf, angezogen und bewaffnet, legte sie das Ohr an die Luke und lauschte auf Geräusche aus dem Flur. Es herrschte Totenstille. Perfekt.
Sie war rastlos, unruhig. Eine Nacht in diesem winzigen Raum war eine zu viel gewesen. Heute Nacht wollte sie herumstreifen und sich Dinge und Orte ansehen, die sie eigentlich nicht sehen sollte. Denn morgen würde sie verschwinden – ob Tristan nun seine Informationen über Tolliver mit ihr teilte oder nicht. Sie weigerte sich, noch eine Nacht länger hier unter der Erde zu verbringen.
Sie gab ihr Passwort ein und öffnete die Metallluke. Das einzige Geräusch war das schwache Summen eines Generators in der Ferne.
Sie trat hinaus und blieb stehen, um sich in beide Richtungen umzusehen. Die Lumi-Lichter, die in regelmäßigen Abständen im Korridor angebracht waren, waren auf Nachtbetrieb geschaltet und schimmerten schwach grünlich. Das Licht färbte die sauberen weißen Kacheln in der Farbe seichten Meereswassers im späten Frühling – grün und reich an Algen.
Ihr Herz schlug heftig, als sie sich umschaute. Die Wände des Korridors kamen ihr viel zu nahe vor.
Fünfzig verfluchte Meter unter der Erdoberfläche. Was zur Hölle hatte sie sich dabei gedacht?
Sie wollte nicht hier sein, sie mochte das Gefühl nicht. Doch andererseits
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