Dark Future: Herz aus Feuer
dass sie leiser auftrat als er.
Sie nahm den Weg, den er gegangen war, hielt sich in den Schatten an der Wand, ließ sich weit zurückhängen und folgte ihm nur anhand der schwachen Geräusche, die sie in der Ferne wahrnahm. Als er in einen heruntergekommeneren Teil der Anlage kam, ging er schneller und achtete nicht mehr darauf, leise zu sein.
Was durchaus nachvollziehbar war. Wahrscheinlich war er zuvor möglichst ruhig gewesen, um seine schlafenden Kameraden nicht zu stören oder zu alarmieren. Jetzt gab es keinen Grund mehr, darauf zu achten, denn er war weit genug von den Unterkünften entfernt, so dass er nicht mehr damit rechnete, irgendjemandem zu begegnen.
Damit machte er es ihr leicht.
In zügigem Tempo bog Tristan in die verzweigten Tunnel ab. Augenscheinlich kannte er den Weg, wusste genau, wo es langging. Es gab keine andere Erklärung, denn er durchquerte die Tunnel, die teilweise vollkommen unbeleuchtet waren, im Laufschritt und bog so zielstrebig ab, als könnte er den Weg auch mit verbundenen Augen zurücklegen.
Warum benutzte er keine tragbare Lampe? Vielleicht weil er mit dem Leuchten keine ungebetenen Gäste anlocken wollte. Oder weil er nicht verfolgt werden wollte. Er war klug und vorsichtig, das musste sie ihm lassen.
Ganz in der Nähe hörte der Tunnel plötzlich auf. Ein Haufen Schutt blockierte den Weg. Tatiana erstarrte, als Tristan direkt vor ihr stehen blieb. Er zog ein tragbares Lumi-Licht hervor und machte es an. Ein unheimliches Schimmern breitete sich aus.
»Du kannst genauso gut zu mir kommen«, sagte er, und seine Stimme klang ungerührt und cool.
Sie machte einen Schritt nach vorn. Ihre Stiefelspitzen berührten gerade den Lichtkegel.
»Wie lange weißt du schon, dass ich dir folge?«, fragte sie und war ein bisschen überrascht, dass er sie entdeckt hatte.
Er lachte ein volles und warmherziges Lachen und warf ihr einen Seitenblick zu. »Das wusste ich nicht. Nicht bis eben. Vielleicht seit fünf Minuten, denn da meinte ich, ein Geräusch gehört zu haben. Aber sicher war ich mir nicht.«
»Warum hast du mich dann eingeladen, zu dir zu kommen?«
»Ich habe es auf gut Glück probiert.«
Darauf wusste sie nichts zu erwidern. Sie hatte dummerweise geantwortet, doch sie vermutete, dass es nicht viel ausmachte. Er schien zu Ende bringen zu wollen, was auch immer er vorhatte – nur, dass sie jetzt mit von der Partie war, statt bloß vom Rand aus zuzusehen.
»Wohin willst du?«, fragte sie.
»Ich vermute, dass du das schon weißt.«
»Auf der anderen Seite dieser Zugangstunnel ist irgendwas, richtig? Ein neuerer Teil der Anlage.«
»Das stimmt«, erwiderte er. »Dort sind Vorräte, Dinge, die ich will … nein, die ich
brauche.
« Er hielt inne. »Es wird dich vermutlich nicht davon abhalten, mich zu begleiten, wenn ich dir sage, dass sich dahinter mutierte Plünderer aufhalten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Genauso wenig wie dieses Wissen dich davon abhält weiterzugehen.«
Ihr wurde klar, dass sie antäuschten und parierten und umeinander herumtänzelten, ohne die Wahrheit zu sagen. Beide machten nur vage Anspielungen auf das, was sie verbergen wollten.
»Dann haben wir genug Zeit vertan.« Der Diktator war wieder zurück.
Er setzte die Stiefelspitze in den Schutthaufen und begann, vorsichtig hinaufzuklettern. Erst jetzt sah sie es: eine schmale Öffnung auf der Kuppe des Haufens. Groß genug für Ratten, aber ganz sicher nicht groß genug für einen Menschen. Als er das Lumi-Licht höher hielt, erkannte sie, dass die Öffnung eine gewisse Tiefe hatte, so dass sie eher einem Tunnel als einem Loch glich.
»Hast du vor, den Schutt wegzuschaffen?«, fragte sie.
»Ja. Das wird etwa eine Stunde dauern, denke ich.«
»Ich glaube, es wird viel weniger als eine Stunde dauern. Komm da runter.«
Über die Schulter hinweg warf er ihr einen Blick zu. Dann zuckte er mit den Achseln und stieg hinunter.
Sie hockte sich hin, klopfte gegen den unteren Teil des Haufens, legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf zur Spitze. Konzentriert berechnete sie Winkel und Wahrscheinlichkeiten, um den besten Weg zur Entfernung des Gerölls zu bestimmen.
Dann richtete sie sich auf und klopfte gegen zwei der Steine, die fest verkantet waren. Der dritte ließ sich beinahe unmerklich bewegen. Sie schob die Finger in die Ritzen neben dem Stein und ruckelte daran.
Tristan trat hinter sie. Seine muskulöse Brust streifte ihre Schulter, als er sich vorbeugte.
Der saubere, frische Duft
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