Dark Heart: Zweiter Band
Teppich ausgelegte Korridor, in dem wir uns befanden, erinnerte mit seinen links und rechts abgehenden Zimmern an den Korridor eines luxuriösen Hotels. Der Diener schloss uns eine der Türen auf und bedeutete mir mit einem Wink einzutreten.
Ich war überrascht. Im Gegensatz zu dem dunklen, etwas verstaubten Zimmer, das ich mir bei meinem ersten Besuch auf eigene Faust angesehen hatte, war dies hier eine Suite, modern eingerichtet und hell gestrichen. Es gab ein großzügiges Schlafzimmer und ein noch weitläufigeres Wohnzimmer, aber keinen Alkoven für ein Nachtgeschöpf. Die Lampen waren versteckt angebracht, ihr indirektes Licht strahlte Wärme und Behaglichkeit aus.
»Ich hoffe, Hoheit hat Ihren Geschmack getroffen«, sagte der Diener. Mit einer Handbewegung scheuchte er den Pagen, der uns mit dem Gepäck gefolgt war, aus dem Zimmer und öffnete den begehbaren Kleiderschrank. Fein säuberlich aufgereiht hingen hier Kleider und Kostüme, Hosen und Röcke. Ich wurde blass, als ich die Modelabels auf den Etiketten sah. In den Schubladen fand ich Unterwäsche, Socken und Nylonstrümpfe. Besonders beeindruckend war die Schuhkollektion. Sie reichte von Wanderstiefeln über solide Halbschuhe und Sneakers bis hin zu Pumps und Sandalen, alles in meiner Größe. Auf dem Frisiertisch standen unzählige Tiegel und Flakons. Das Bad war mit Marmor ausgekleidet, eine Vase mit weißen Rosen stand direkt neben dem Waschbecken, sogar ein Bademantel lag berei t – wie in einem Fünf-Sterne-Hotel.
»Hank, ich glaube, Sie können meine Sachen gleich wieder mitnehmen. Der Kleiderschrank sieht aus wie die Garderobe von Paris Hilton.«
»Selbstverständlich können Sie auch Ihre eigene Kleidung tragen. Aber erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, dass heute Abendgarderobe Pflicht ist.« Der Diener lächelte verlegen. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen etwas Passendes herauslegen. Sie können sich mit allen Fragen an mich wenden. Mein Name ist Lewis.«
»Lewis, ich freue mich über jede Hilfe«, sagte ich.
»Sehr wohl, junge Dame.«
»Ich heiße Lydia.«
Lewis verbeugte sich. »Sehr wohl, M s Lydia.« Mit sicherem Griff wählte er ein nachtblaues Cocktailkleid aus und drapierte es auf dem Bett. Ehrfurchtsvoll berührte ich den weich fließenden Stoff, reine Wildseide. Da hatte Lewis auch schon ein Paar farblich passender Pumps aus einem der Schuhregale hervorgezaubert. Nun hielt er inne und legte nachdenklich den Finger an die Lippen.
»Etwas fehlt noch«, sagte er und nahm aus einer Schublade des Frisiertischs eine Lederschatulle.
Ich hielt den Atem an. Beim Anblick der Kette und der beiden Ohrringe wurde mir schwindelig: Da blitzten Hunderte von Diamanten. »Unmöglich, so was kann ich nicht tragen!«
»Entschuldigen Sie, M s Lydia. Aber da muss ich Ihnen widersprechen. Der Schmuck wird Ihnen ganz hervorragend stehen.«
Ehrfürchtig setzte ich mich auf den mit flauschigem Fell bezogenen Hocker, der zum Frisiertisch gehörte. Meine Hände zitterten, als ich mir vor dem Spiegel die filigrane Kette umlegte. »Der Schmuck ist nur eine Leihgabe, oder?«
Lewis nickte verlegen.
»War ja klar«, murmelte ich seufzend, als ich die Ohrringe anprobierte.
»Sie haben noch eine gute Dreiviertelstunde Zeit, bis alle Gefährten zu Abend essen«, sagte Lewis. »Möchten Sie vielleicht ein Bad nehmen?«
Ich drehte mich zu ihm um und legte den Schmuck zurück in sein Lederetui. »Das ist eine prima Idee.«
Es klopfte leise, aber bestimmt. Lewis öffnete und verneigte sich augenblicklich. »Eure Hoheit.«
Hank drehte sich zur Tür um. In der Sekunde, in der sein Blick auf den von Lilith traf, merkte ich wieder, dass er der Königin noch nicht völlig vertraute.
Auch ich war nervös, allerdings eher, weil ich nicht genau wusste, was mich auf der Abendveranstaltung der Königin erwarten würde. Lilith sah rosig und gesund aus. Ihre Lippen waren voll, ihre Augen strahlten, ihr blauschwarzes Haar glänzte. Sie trug eine beigefarbene Trekkinghose und einen schwarzen Rollkragenpullover. Kein Zweifel: Sie war gerade von der Jagd zurückgekehrt. »Darf ich eintreten?«, fragte sie bescheiden.
Ich sprang auf. »Was für eine Frage! Ich bin hier doch nur Gast.«
»Und die Gastfreundschaft ist uns heilig.« Sie reichte Hank die Hand. »M r Gerard! Was für eine Freude, Sie hier begrüßen zu dürfen!«
Hank versuchte sich an einem Lächeln und schüttelte zögerlich die Hand der Königin. Neben ihr sah er in seinem rot karierten Hemd, den
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