Dark Heart: Zweiter Band
gehegt, die ich aber zerstreuen konnte. Eigentlich hatten Mark und ich nur geredet. Er war ein guter Zuhörer. Wenn ich mit ihm sprach, schaute er mich an, nickte an den richtigen Stellen und beschränkte sich ansonsten darauf, mich zu vergöttern. Ich liebte diese Abende. Mark hatte mich nie bedrängt. Schließlich hatte ich irgendwann die Initiative ergriffen und ihn einfach geküsst.
Nun strahlte er übers ganze Gesicht, als ich erwiderte: »Das ist eine ziemlich gute Idee.«
Wahrscheinlich ist es…
W ahrscheinlich ist es ein Naturgesetz, dass es auf Beerdigungen so gut wie immer regnet. Kein Wunder also, dass es in Strömen goss, als wir uns an diesem Freitag auf den Weg zur Trauerfeier machten. Für den engsten Freundes- und Familienkreis gab es einen katholischen Gottesdienst in der Keith Street. Maggie Dupont hatte darauf bestanden, dass für ihren Mann noch einmal eine Messe gelesen wurde. Jeder wusste, dass er sich kurz vor seinem Tod von ihr getrennt hatte, und man rechnete ihr diese Geste hoch an. Mark hatte meine Eltern und mich gebeten, mit ihm und seiner Mutter in der ersten Reihe zu sitzen, die normalerweise der Familie vorbehalten war. Maggie war sicher froh, dass sie in dieser schweren Stunde nicht alleine war. Auch meine Großmutter war gekommen. Mom und ich erschraken bei ihrem Anblick. Die Last der Jahre war ihr auf einmal anzusehen. Obwohl ihr Fuß mittlerweile so gut wie verheilt war, ging sie noch immer am Stock, ihre Schritte waren schleppend. Ich bemerkte, dass ihre linke Hand leicht zitterte. Doch ihr Blick war wach und lebendig wie immer.
Viele der Trauergäste kannte ich nicht. Sie mussten alte Freunde und Geschäftspartner der Familie sein. Meine Eltern waren Anglikaner und ich selbst war seit einem Weihnachtsgottesdienst vor fünf Jahren nicht mehr in der Kirche gewesen, schon gar nicht in einer katholischen. Trotzdem gefiel es mir hier. Das Licht, die Musik und der Weihrauchduft hatten eine sinnliche Wirkung. Ich konnte verstehen, dass es Menschen gab, die jeden Sonntag Trost an diesem Ort suchten.
Der Priester, ein grauer, unscheinbarer Mann, der eher an einen Finanzbeamten erinnerte, überraschte mich mit seiner Predigt. Normalerweise erwartet man, dass bei einer Trauerfeier der Verstorbene so über den grünen Klee gelobt wird, als wäre die Seligsprechung nur eine Frage der Zeit. Doch Monsignore Schroeder war weit von solchen Lobhudeleien entfernt. Er schilderte Marks Vater, wie er gewesen war. Nämlich als Menschen, der am Ende seines Lebens schwere Fehler begangen hatte. Ich vermutete, dass der Priester den Inhalt der Totenrede mit Maggie abgesprochen hatte.
Die Feier dauerte anderthalb Stunden, dann machten wir uns alle auf den Weg zum Capilano View Cemetery, wo Charles Dupont beigesetzt werden sollte. Die Kirche war nur etwa einen Kilometer vom Friedhof entfernt; trotzdem fuhren alle mit dem Auto, denn es regnete immer noch ohne Unterlass.
Zum Schutz vor dem Wetter hatte man einen weißen Pavillon aufgestellt, der zur Grabseite hin offen war. Darunter standen eine Reihe von Klappstühlen. Der Sarg wurde auf einem Rahmen über dem Grab abgestellt. Ich hoffte, dass das eigentliche Begräbnis nicht so lange wie die Messe dauern würde, denn zur Nässe hatte sich inzwischen eine beißende Kälte gesellt, die uns in die Knochen kroch.
Beschirmt von einem Ministranten richtete der Pfarrer einige letzte Worte an uns und stimmte ein Gebet an. »Rette mich, Herr, vor dem ewigen Tod an jenem Tage des Schreckens, wo Himmel und Erde wanken, da Du kommst, die Welt durch Feuer zu richten.«
Maggie Dupont begann zu schluchzen, als der Sarg ins Grab hinabgelassen wurde. Mark vergrub das Gesicht in den Händen. Es war das erste Mal, dass ich ihn weinen sah.
»Zittern befällt mich und Angst, denn die Rechenschaft naht und der drohende Zorn.«
Plötzlich sah ich, wie eine Gestalt durch den strömenden Regen auf uns zuwankte. Immer wieder hielt sie inne und stützte sich auf einen der Grabsteine.
»Oh jener Tag, Tag des Zorns, des Unheils, des Elends.«
Die Kleidung des Mannes war zerrissen, sein Gesicht so schmutzig, dass ich seine Gesichtszüge nicht richtig erkennen konnte. Und trotzdem war etwas Vertrautes an ihm. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
»Oh Tag, so groß und so bitter, da Du kommst, die Welt durch Feuer zu richten.«
Langsam stand ich auf. Meine Mutter sah mich stirnrunzelnd an und zischte mir zu, ich solle mich wieder setzen.
»Herr, gib ihnen die
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