Dark Heart: Zweiter Band
Irakkrieg eingesetzt hatten. Zu meinem Erstaunen war drinnen relativ wenig Platz, obwohl das Fahrzeug von außen so riesig aussah.
»Das liegt am Motor!«, schrie Hank gegen den Lärm an. »Der befindet sich nämlich genau zwischen uns beiden.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Kasten, der das Format eines mittelgroßen Kühlschranks hatte. »Eigentlich ist das Ding eine riesige Fehlkonstruktion, aber im Gelände ist es unschlagbar. Sechzehn Liter Benzin pro hundert Kilometer sind allerdings auch eine ganze Menge. Deswegen habe ich vorgesorgt und sechs volle Reservekanister an Bord.«
»Warum haben wir nicht Solomons Hubschrauber genommen?«, schrie ich zurück. Der Motorenlärm war beinahe unerträglich.
»Erstens, weil ich keinen Pilotenschein habe. Zweitens, ist die Reichweite eines Helikopters zu begrenzt. Nach Telegraph Creek sind es über tausend Kilometer Luftlinie.«
»Wie lange werden wir unterwegs sein?« Der Humvee war so hart gefedert, dass ich jedes Schlagloch spürte.
»Das kommt darauf an, ob Sie sich zutrauen, das Ding zu steuern. Wenn wir uns abwechseln, können wir durchfahren. Dann sind wir in vierundzwanzig Stunden am Ziel.«
»Sieht wohl so aus, als hätte ich keine andere Wahl«, brummte ich.
»Nicht wirklich«, sagte Hank. »Der Humvee fährt sich wie jedes andere Auto auch. Kupplung, Bremse, Gas, alles ist an seinem Platz.«
Ich nickte nur betreten.
»Keine Angst, Sie kriegen das hin.«
»Warum haben wir nicht ein weniger auffälliges Auto genommen? Ich meine, das Ding sieht aus, als würden wir in den Krieg ziehen! Hätte es ein normaler Pick-up nicht auch getan?«
»Natürlich. Aber nur, wenn wir auf befestigten Wegen bleiben. Sobald es querfeldein geht, haben wir mit dem Humvee bessere Chancen.« Hank sah mich strahlend an. »Außerdem liebe ich es, mit diesem Ding zu fahren. Sie werden es noch merken, wenn sie selber hinter dem Steuer sitzen. Ist was ganz anderes als Ihr Käfer.«
»Das glaube ich Ihnen auf der Stelle«, erwiderte ich mürrisch. »Aber selbst wenn ich Sie ablöse: Wie wollen Sie bei diesem höllischen Lärm schlafen?«
Hank griff in seine Brusttasche und schüttelte eine durchsichtige Plastikdose, in der sich acht gelbe Schaumstoffpfropfen befanden. »Indem ich mir die hier in die Ohren stecke. Schauen Sie mal in Ihrer Anoraktasche nach. Sie müssten auch welche haben.«
Im Lichtkegel des Scheinwerfers rauschte die Straße unter uns hinweg. Wir hatten Chiliwack und damit das Stadtgebiet der Metroregion Vancouver hinter uns gelassen. Was jetzt kam, waren Orte, die mit Ausnahme von Prince George und Whitehorse die Bezeichnung »Stadt« nicht im Entferntesten verdienten.
»Was dagegen, wenn ich ein wenig schlafe?«, fragte ich.
»Nein, im Gegenteil. Dann sind Sie wenigstens ausgeruht, wenn Sie sich später hinters Steuer setzen. Aber keine Sorge: Ich versuche bis zum Sonnenaufgang durchzufahren. Dann wechseln wir uns ab.«
Ich steckte mir die Stöpsel in die Ohren, verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen. Die kleinen Schaumstoffdinger waren unglaublich. Der Motor war auf einmal nur noch ein weit entferntes Summen, das von meinen regelmäßigen Atemzügen überlagert wurde.
Jack? , flüsterte ich, schon halb im Schlaf. Wie geht es dir?
Ich hörte meine ruhigen Atemzüge, das Schlagen meines Herzens und dann spürte ich, was Jack spürte. Seine Arme und Beine waren verdreht. Spitze Felsbrocken drückten gegen seinen Brustkorb. Wäre Jack ein Mensch gewesen, der atmen musste, wäre er schon lange erstickt. Die Verletzungen schmerzten unerträglich, doch sie waren nichts im Vergleich zu seinem Hunger, seinem Durst. Jede Faser seines Körpers lechzte nach Blut. Jeder seiner Gedanken kreiste um dieses eine Thema. Jack war kurz davor, den Verstand zu verlieren.
Jack, bitte! Du darfst nicht aufgeben. Wir sind bald bei dir! Hörst du?
Doch er schwieg. Und mit der letzten Kraft, die ihm geblieben war, verschloss er sein Innerstes gegen mich. Ich stöhnte enttäuscht auf. Vergebens suchte ich eine bequeme Position auf dem harten Sitz. Immer wieder horchte ich in mich hinein in der Hoffnung, wieder Kontakt zu Jack zu finde n – vergebens.
Schließlich schlief ich erschöpft ein, träumte von dunklen Schatten in verlassenen Wäldern, von Schnee, dicht fallenden, schweren Flocke n – und einem Mädchen, das mit dem Weiß der winterlichen Landschaft gänzlich zu verschmelzen schien.
Ein harter Schlag ließ mich
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