Dark Heart: Zweiter Band
er als Hebel benutzte, um damit die größeren Brocken zu bewegen. Bald hatten wir den ganzen Arm freigelegt und schließlich auch Jacks Kopf.
Ich schlug erschrocken die Hand vor den Mund, als ich sein geschundenes Gesicht sah. Es war nicht mehr das Gesicht eines jungen Mannes, sondern das eines Hundertjährigen. Seine Augen waren matt, doch leuchteten sie für einen Moment rot auf, als sie Mark erkannten. Jack entblößte fauchend seine Fangzähne.
»Er kennt jetzt nur noch eins: die Blutgier. Sobald wir ihn ganz befreit haben, wird er über dich herfallen«, sagte ich zu Mark. »Du musst von hier verschwinden. Jetzt gleich.«
»Und wie willst du ihn allein da rausgekriegen?« Mark war nicht zu überreden. »Nein, ich helfe dir.«
»Aber versteh doch: Er wird dich umbringen!«, flehte ich. »Er hat sich nicht mehr in der Gewalt!«
»Wenn wir ihn retten wollen, müssen wir dieses Risiko eingehen. Uns bleibt keine Wahl.« Mark stellte die Handlampe neben sich auf den Boden und richtete sie so aus, dass ihr Strahl von Jack wegzeigte. Dann machte er sich an dem letzten Brocken zu schaffen.
Je mehr von Jacks Körper freigelegt wurde, desto mehr erschrak ich. Sein Kopf war riesig, rot geäderte Augen lagen tief in den Höhlen. Die graue Haut spannte sich über die Schädelknochen, Jack hatte das Antlitz eines Verstorbenen.
Dennoch steckte in seinem gemarterten Körper noch so viel Kraft, dass er verzweifelt versuchte, sich allein zu befreien. Ich konnte sehen, wie seine Selbstheilungskräfte zu wirken begannen, sich Wunden schlossen, Haut straffte. Und tatsächlich: Als der letzte Stein entfernt war, richtete sich Jack auch schon schwankend auf. Mark war jedoch auf der Hut. Geistesgegenwärtig ergriff er die Lampe und richtet e – nur für Sekundenbruchteil e – ihren Strahl auf Jack. Dieser hob abwehrend eine Hand vors Gesicht und fauchte wütend. Doch er wich nicht zurück, sondern duckte sich zum Sprung.
»Nein!«, schrie ich und warf mich im letzten Moment zwischen die beiden. Obwohl Jack nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen schien, hatte er noch genug Kraft, um mich zu Boden zu reißen. Er blickte mir in die Augen, schien mich überhaupt jetzt erst zu erkennen. Doch dann traf ihn die Eisenstange an der Schulter. Mit einem unmenschlichen Schrei wirbelte er herum und wehrte den zweiten Angriff ab, wobei er Mark die Stange aus der Hand riss und sie in hohem Bogen fortschleuderte. Mit einem hallenden Ton schlug sie gegen die Felswand und blieb liegen. Jack wollte sich erneut auf Mark stürzen, doch ich packte ihn am Arm.
»Trink mein Blut!«, schrie ich Jack an.
»Bist du verrückt?«, rief Mark.
Ich entblößte meinen Hals. »Bitte«, flehte ich keuchend. »Trink mein Blut!«
Jack zögerte kurz, dann biss er zu. Es war ein kalter, schneidender Schmerz. Ich spürte seine spröden, trockenen Lippen auf meiner Haut. Er trank einmal und hielt dann erschrocken inne, die Augen weit aufgerissen. Aber da war Mark schon über ihm. Rasend vor Wut schlug er auf Jack ein, der nicht die geringsten Anstalten machte, sich gegen die blindwütige Attacke zu wehren.
»Mark, hör auf!« Nur ein dünnes Rinnsal floss noch aus meiner Halswunde, die schon zu verheilen begann. Mühsam richtete ich mich auf. »Bitte hör auf! Es reicht.«
Jetzt endlich reagierte Mark. Langsam ließ er die Faust sinken. Ich bückte mich nach der Lampe und strahlte Jack ins Gesicht. Er hatte sich weiter verändert: Die Wangen waren längst nicht mehr so eingefallen wie noch vorhin, sein Körper schien kräftiger, aber nicht so muskulös, wie ich ihn von früher in Erinnerung hatte. Dann fiel mein Blick auf eine Wunde über seinem rechten Auge, aus der Blut quoll.
»Los, hilf mir, ihn hier rauszubringen!«, rief ich Mark zu.
Wir legten uns Jacks Arme über die Schultern und schleppten ihn in qualvollen kleinen Etappen den ganzen langen Weg hinaus ins Licht der Nachmittagssonne.
Als wir hinaustreten wollten, zögerte Jack.
»Scht«, flüsterte ich. »Alles ist gut.«
»Die Sonn e …«, stammelte er, als hätte er den Mund voller Watte.
»Die Sonne kann dir jetzt nichts mehr anhaben«, erklärte Mark.
Wir traten hinaus. Jack bedeckte den Kopf mit den Händen und duckte sich, als erwartete er, jeden Moment zu sterben. Aber nichts geschah. Seine Haut blieb unversehrt. Nur sein rechtes Auge war halb zugeschwollen, die Oberlippe blutig. Mark hatte ganz schön gewütet.
Jack öffnete das unversehrte Aug e – und fing auf einmal an zu
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