Dark Heart: Zweiter Band
in dieser Wildnis schon längst verfahren. Als wir die Plätze tauschten und er das Steuer übernahm, küssten wir uns. Wir verstanden uns ganz ohne Worte. Ich schämte mich immer noch ganz schrecklich für die Ohrfeige und meine Worte am Abend zuvor. Und auch Mark wirkte gequält, als gäbe er sich die Schuld an Hanks Zustand.
Aber jetzt musste er sich voll und ganz auf das Schaltgetriebe des Humvees konzentrieren, meisterte es aber erstaunlich schnell. Zwar würgte auch er anfangs den Motor immer wieder ab, doch nach dem zweiten Berg hatte er den Dreh heraus und manövrierte uns ohne Probleme durch dichtes Unterholz und schmale Wasserläufe mit niedrigem Wasserstand. Am Nachmittag stießen wir wieder auf die alte Bergwerksstraße, deren letztes Stück gut befahrbar war. Schließlich erreichten wir eine freie Fläche, auf der wir neben einigen verrosteten Wohncontainern auch einen Tieflader entdeckten, dessen Scheiben eingeschlagen waren.
Mark stellte den Humvee neben einem der Container ab und wir stiegen aus. Nichts war zu hören außer dem Heulen des Windes, der an einem losen, verrosteten Warnschild rüttelte. In großen Lettern forderte es zum Tragen eines Schutzhelms auf. Ein großer Müllbehälter lag umgestürzt auf dem Boden. Sein Inhalt war entweder längst von den Bären gefressen oder vor Jahren verweht worden. Als ich mich umschaute, beschlich mich ein mulmiges Gefühl.
Das Minengelände war von drei Seiten von Bergen umgeben, deren Hänge schroff abfielen. Der Boden war so karg, dass er nur verkrüppeltes Buschwerk gedeihen ließ. Ein öder, ein trostloser Ort.
Mark holte die Handlampe aus dem Wagen. »Alles in Ordnung?«, fragte er, als er meine Unruhe bemerkte.
»Die Felshänge hier haben Augen«, sagte ich nur und strich mir eine windzerzauste Strähne aus dem Gesicht.
Mark schaute sich unbehaglich um. »Du meinst, Solomon ist hier?«
»Ich weiß nicht. Jedenfalls bin ich heilfroh, dass es erst Nachmittag ist.«
»Was ist mit Jack? Empfängst du Signale?«
»Ja.« Schon zu Beginn unserer Fahrt hatte ich Jacks Verzweiflung gespürt, die immer stärker geworden war, je näher wir diesem Ort kamen.
»Dann lass uns keine Zeit verlieren«, sagte Mark.
Der Schotter knirschte unter unseren Füßen, als wir zu einem verrosteten Tor in der Felswand traten, dessen Schloss zerbrochen am Boden lag.
»Wie weit ist es?«, fragte Mark, als er drinnen im Schacht die Lampe einschaltete. Das Echo seiner Stimme hallte an den Wänden wider, bis es sich in der Stille verlor.
»Keine Ahnung«, sagte ich. Mir war schwindelig und ich musste mich an Mark festhalten. Jack, das spürte ich nur zu deutlich, war am Ende seiner Kräfte.
Der Stollen führte tief in den Berg hinein. Immer wieder zweigten links und rechts Schächte ab, die sich im Nirgendwo verloren oder plötzlich vor einer Felswand endeten. Mark setzte bei jeder Abzweigung eine Markierung, damit wir später den Rückweg wiederfanden. Kälte und Feuchtigkeit begannen durch unsere Kleidung zu dringen.
Und dann traf mich der Schmerz wie ein Messerstich. Instinktiv schlang ich schützend die Arme um mich. Ich wollte schreien, aber es kam kein Ton heraus.
»Lydia!«, rief Mark, doch ich wehrte ihn ab.
»Wir müssen weiter«, keuchte ich.
»Das ist doch Irrsinn!«, rief er.
»Aber es hat nur ein Ende, wenn wir Jack retten!«
Wir kamen nur langsam vorwärts. Immer wieder musste ich innehalten, weil ich Jacks Schmerz stärker und stärker spürte, bis ich es kaum mehr ertragen konnte. Schließlich versperrte uns eine Wand aus Schutt und Geröll den Weg.
Obwohl meine Knie zitterten, kniete ich mich hin und begann mit bloßen Händen Stein für Stein aus dem Weg zu räumen. Mark half mir erst, dann sagte er resigniert: »Wenn der Rest der Tunneldecke eingestürzt ist, werden wir ohne schweres Räumgerät keinen Erfolg haben.«
Benommen schüttelte ich den Kopf. »Nein, Jack ist ganz in der Nähe. Wir schaffen es.«
»Setz dich dahinten hin, ruh dich aus und lass mich graben.«
Ich schüttelte energisch den Kopf. »Jack, wir sind gleich bei dir!«, flüsterte ich.
Ich gab nicht auf. Mark und ich arbeiteten schweigend Seite an Seite. Staub erfüllte die Luft und machte das Atmen schwer.
Schließlich kam eine blasse Hand zum Vorschein. Ich schrie laut auf, als ich sah, dass sich die Finger bewegten. Sie erinnerten an die Krallen eines Vogels, so dünn und knochig waren sie.
Wir gruben jetzt mit äußerster Vorsicht. Mark fand eine Eisenstange, die
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