Dark Inside (German Edition)
geglaubte Cheers schwirrten durch ihren Kopf. Jeder Schritt wurde von einem Reim begleitet. Ein paarmal kam sie von der Straße ab. Sie bemerkte es erst, als sie unter ihren Schuhen kleine Grashügel statt Asphalt spürte.
Als sie irgendwann zusammenbrach, registrierte ihr Gehirn das erst, als sie schon dabei war, auf die Straße zu stürzen. Sie war so überrascht, dass sie nicht einmal Zeit hatte, die Arme auszustrecken, um den Fall zu bremsen. Sie kam mit der Seite auf dem Gras auf und rollte die Böschung hinunter in den Graben. Dann blieb sie auf dem Rücken liegen und blinzelte ein paarmal, bevor ihr klar wurde, dass sie in den Nachthimmel starrte.
Er war wunderschön. Millionen Sterne glitzerten auf sie hinunter und der Mond war voll und gleißend hell, ein perfekter Kreis. Sie konnte sogar die Krater auf der zerklüfteten Oberfläche sehen. Sie streckte die Hand aus und versuchte, ihn zu berühren, aber er war zu weit weg.
»Der Große Wagen«, sagte sie laut. »Kassiopeia. Der Gürtel des Orion.«
Die Sterne würden immer da sein. Hunderte Millionen Jahre in der Zukunft, wenn die Menschheit schon längst von diesem Planeten verschwunden war, würde es die Sterne immer noch geben.
Wie lange würde es dauern, bis sie verschwunden war?
Ich werde wahnsinnig, Heath. Ich habe schon davon gehört. Schlafmangel kann merkwürdige Auswirkungen haben. Ich muss mich ausruhen, aber ich kann nicht schlafen. Ich habe solche Angst. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Hilf mir!
Sie bekam keine Antwort. Heath meldete sich nicht. Sie war ganz allein.
Es war so friedlich im Straßengraben. Sie wusste, dass sie aufstehen und weitergehen sollte. Doch sie konnte nicht. Ihre Beine hatten entschieden, dass es jetzt genug war.
Ich bin gelähmt.
Die Angst wich von ihr. Sie konnte nichts tun. Sie konnte nur die Augen zumachen. Das würde so schön sein.
Also machte sie die Augen zu.
Sie wurde mit einem Ruck wach. Verwirrt setzte sie sich auf und sah sich um. Ihre Kleidung war feucht und mit Abendtau benetzt. Sie konnte sich nicht erinnern, warum sie hier war.
Als sie mühsam aufstand, gaben ihre Knie nach und ihre Beine waren völlig steif. Sie dehnte und streckte sich, während sie zur Straße zurückging und ihren Blick umherschweifen ließ. Sie war in einer gottverlassenen Gegend, auf einer Straße, an die sie sich nicht erinnern konnte. Nur bruchstückhaft kam ihre Erinnerung zurück: Sie war gestürzt und im Straßengraben gelandet, wo sie die Sterne angestarrt hatte.
Die Sonne stand im Westen. Sie sah auf ihre Uhr und stellte fest, dass es kurz nach sechzehn Uhr war. Das bedeutete, dass sie über sechzehn Stunden geschlafen hatte. Sie konnte sich an nichts mehr erinnern. Keine Träume, nur Tiefschlaf, den sie offenbar dringend gebraucht hatte.
Das war es also, Heath. Ich musste nur so lange laufen, bis ich fast gestorben wäre, um schlafen zu können. Vielleicht hat das ja auch etwas Gutes. Ich bin nicht gestorben. Sie haben mich nicht gefunden. Vielleicht hört jetzt auch mein Gehirn auf, jedes Mal, wenn ich zu schlafen versuche, durchzudrehen.
Sie trank einen großen Schluck Wasser und begann zu laufen.
Gegen achtzehn Uhr kam sie an den Highway. Sie orientierte sich an der Sonne und wandte sich nach rechts. Die Straße war vollkommen leer, sie fand nicht einmal ein Auto, das sie sich ausleihen konnte. Um neunzehn Uhr begann der Sonnenuntergang und überzog den Himmel mit einem rotstichigen Rosa.
Sie wusste nicht genau, wo sie war. Vielleicht Montana. Die Landschaft änderte sich. Noch keine Berge, aber bald. Sie konnte sie schon sehen, kleine, zerklüftete Erhebungen am Horizont. Bald würde sie mitten in den Rockies sein. Hoffentlich hatte sie dann wieder ein Auto.
Die Dämmerung hatte sich über den Wald gelegt, als sie um eine Kurve bog und die ersten Ausläufer einer kleinen Stadt vor sich sah. Zwischen den Bäumen konnte sie eine Tankstelle mit einem großen Parkplatz sehen, auf dem mehrere leere Autos standen. Davor stand ein Schild, das aber zu weit weg war, um es lesen zu können.
»Na endlich«, murmelte sie.
Sie musste vorsichtig sein. Clementine verließ die Straße und ging in den Wald, fest entschlossen, zuerst in einem weiten Bogen zur Rückseite der Tankstelle zu schleichen, um sich zu vergewissern, dass niemand dort war. Doch das war einfacher gesagt als getan. Sie war in der Prärie aufgewachsen und an Weizenfelder und freien Himmel gewöhnt; sich durch das Unterholz zu schlagen, erwies sich
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