Dark Inside (German Edition)
Wenn sie zu viel getrunken hatte, wurde ihr erst schwindlig und dann schlecht. Und inzwischen war es sowieso nicht mehr ratsam zu trinken, aber das wollte sie ihm nicht sagen. Es ging ihn nichts an.
»Nach dem hier ist Schluss«, sagte er. »Ich sehe dir an, dass du nicht gerade beeindruckt bist. Aber ich trinke nicht, um mich zu betrinken. Ich habe nur einen gebraucht. Heute war nicht so mein Tag.«
»Schon okay«, erwiderte sie. »Ich versteh das.«
»Außerdem ist es sowieso nicht gut, sich die Birne vollzuknallen. Man weiß nie, ob sie einen beobachten.«
Sie nickte wieder. »Glaubst du, sie sind noch da?«
»Die, die die Leute aufgehängt haben? Nein, die sind schon lange weg. Ich habe den ganzen Nachmittag die Stadt durchsucht. Wenn sie hier wären, hätten sie mich inzwischen gefunden. Ich sitze schon seit ein paar Stunden hier. Ich habe es ihnen wirklich einfach gemacht, mich zu erwischen.«
Clementine wusste nicht, was sie sagen sollte. Er hörte sich fast so an, als wollte er sterben, als würde er in der Dunkelheit darauf warten, dass die Ungeheuer kamen.
»Was hältst du davon, wenn wir uns was zum Abendessen machen?«, schlug er vor, als hätte er ihre Gedanken gelesen und wollte das Thema wechseln. »Hast du Hunger? In einem Eisenwarengeschäft habe ich einen kleinen Gaskocher und Campinggas gefunden. Das ist zwar nicht viel, aber ich wette, ich kann uns was Schönes brutzeln. Ich kann recht gut kochen. Früher habe ich immer für meinen Dad gekocht.«
»Ja, gern.«
Sie gingen in die Küche, wo Clementine ihre Kerzen aus dem Rucksack holte und für etwas Licht sorgte. Die einzigen Fenster in dem Raum waren die Glasfüllungen in der Tür. Sie legte Zeitungspapier darüber und befestigte es mit Klebeband. Wenn jemand draußen vorbeiging, würde ihm nichts auffallen.
Sie fand ein paar Kartoffeln, die noch ganz gut aussahen, und setzte Wasser auf dem kleinen Gaskocher auf, während Michael die Konserven durchging, um etwas Brauchbares zu finden. Zu ihrer Überraschung war es in der Kühlkammer noch einigermaßen kalt, und als sie halb aufgetautes Hamburgerhack fanden, beschlossen sie, das Risiko einzugehen. Schließlich gab es Chili-Hamburger mit Kartoffelbrei als Hauptgang und halbgeschmolzene Eiscreme als Dessert.
»Genieß das Essen«, sagte er. »Das ist vermutlich das letzte Mal, dass du Eis und Hamburger bekommst. Es wird lange dauern, bis jemand etwas kocht, das nicht aus einer Konserve kommt. Schließlich werden wir nicht so schnell damit anfangen können, Gemüse zu pflanzen. Ich weiß zwar nicht, wie es dir damit geht, aber ich bin nicht der Typ, der rausgeht und eine Kuh umbringt.«
»Solange ich kein Dosenfleisch oder eingemachte Rüben essen muss, werde ich es schon überleben«, erwiderte sie. »Was ist in diesem Dosenfleisch eigentlich drin? Schinken? Fleischreste? Es schmeckt fürchterlich.«
»Vielleicht ein bisschen von beidem?« Er biss in seinen zweiten Hamburger und hatte danach einen Rest Chilisoße im Mundwinkel. »Aber du hast recht, es schmeckt wirklich eklig.«
»Schätze mal, ich kann mich nicht beklagen«, sagte sie. »Seit das Ganze hier losgegangen ist, habe ich mich von Schokoladenkeksen und Crackern ernährt. Ich glaube, ich habe genug Red Bull für den Rest meines Lebens getrunken. Dabei mag ich Red Bull nicht mal. Es schmeckt wie Kuhpisse.«
Michael lachte. »Du bist also eine Feinschmeckerin. Wie willst du dann diese Apokalypse überleben?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht finde ich irgendwo noch ein Sushirestaurant mit Lieferservice.«
Es war schön. Das Essen schmeckte hervorragend und die Unterhaltung mit ihm war lustig. Es erinnerte sie an glücklichere Zeiten. Zum ersten Mal seit Wochen vergaß sie jede Vorsicht und dachte nicht mehr an die Gefahren, die draußen lauerten. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie das gebraucht hatte. Der gequälte Ausdruck auf seinem Gesicht wurde weicher, und als er lachte, sah sie kleine Funken in seinen Augen aufblitzen.
»Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wo du hingehst«, sagte sie, als sie zu Ende gegessen hatten. Sie hatte eine Flasche Orangensaft in der Hand und Michael hatte sich eine ihrer Wasserflaschen genommen.
»Ich habe eigentlich kein Ziel«, erwiderte er. »Ich war mit einer Gruppe von Leuten unterwegs und wir haben im Grunde genommen nur nach etwas zu essen gesucht. Von einem bestimmten Ziel war nie die Rede, es ging nur darum, dass wir irgendwo einen sicheren Ort finden. Das hat dann
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