Dark Lord
eorge erwachte mit schrecklichen Kopfschmerzen. Er quälte sich aus seinem Bett und machte sich auf die Suche nach Aspirin. Nach zehn Minuten gab er auf. Nicht eine einzige Tablette hatte er im Haus. Er blickte auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht. Entschlossen zog er sich an und schlüpfte in seine Sportschuhe. Den Drugstore in der Union Street konnte er in zwanzig Minuten zu Fuß erreichen.
Einen Moment lang fühlte er sich unwohl bei der Vorstellung, auf dem Weg durch die Stadt einem hungrigen Vampir zu begegnen. Mit einem Kopfschütteln verdrängte er die düsteren Gedanken. Schnell griff er nach seinem Schlüsselbund und verließ das Haus.
Zwanzig Minuten später erreichte er die Einkaufsstraße, in der die meisten Geschäfte rund um die Uhr geöffnet hatten. George atmete erleichtert auf, als er endlich den Drugstore vor sich sah. Zielstrebig griff er nach einer Packung Schmerztabletten, bezahlte sie und schlenderte zum Ausgang. Vor dem Geschäft öffnete er die Packung und warf sich gleich zwei Tabletten ein.
Auf dem Rückweg ließ er sich etwas mehr Zeit. Froh, dass die Schmerzen langsam nachließen, ging er an geschlossenen Geschäften mit heruntergelassenen Schutzgittern und einem Nachtclub, aus dem noch Musik zu hören war, vorbei.
Ein eisiger Wind peitschte um seinen Körper. Plötzlich überkam ihn ein eigenartiges Gefühl. Gefahr lag in der Luft.
George schlug den Kragen seiner Jacke hoch und senkte seinen Kopf, um sich vor der Kälte ein wenig zu schützen. Um sein ungutes Gefühl unter Kontrolle zu bringen, begann er eine Melodie vor sich hinzusummen. Country roads, take me home …
Plötzlich verstummte er und horchte. Hatte jemand um Hilfe gerufen?
Der Polizist in ihm kam zum Vorschein und er lief automatisch vorwärts. Immer tiefer hinein in eine dunkle Seitenstraße. Er kniff die Augen zusammen, um im schlechten Laternenlicht besser sehen zu können.
Als das leise Weinen einer Frau an sein Ohr drang, blieb er abrupt stehen und blickte sich um.
»Tun Sie mir nichts. Bitte«, hörte er eine zittrige Stimme. Langsam schlich er vorwärts, in die Richtung, aus der die Stimme kam.
George wusste, dass er jetzt normalerweise Verstärkung anfordern müsste. Aber schon im nächsten Moment fiel ihm ein, dass er das Handy nicht eingesteckt hatte. Nahe der Häuserfront schlich er vorwärts. Er durfte den Hilferuf nicht ignorieren. In seinem Kopf ging ein Alarmsignal an. Alleine und ohne Waffe hast du keine Chance …
George ignorierte seine innere Stimme und atmete tief durch, als könne er mit der kalten Nachtluft Kraft tanken.
»Ist hier jemand?«, schrie er in die Dunkelheit.
»Helfen Sie mir«, keuchte eine Frauenstimme.
Dem Hilferuf folgte ein lautes Krachen, als ob jemand gegen eine Mülltonne gestoßen würde.
George rannte los. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. An der rechten Hauswand standen säuberlich aneinandergereiht ein paar Mülltonnen. Vor den Tonnen entdeckte er eine Frau, die hysterisch weinend am Boden kauerte. George schaute sich nach einem Täter um, doch außer ihm und der Frau war niemand zu sehen.
Erleichtert atmete er auf und ging auf die Frau zu.
»Es ist alles wieder in Ordnung«, sagte er, »wie heißen Sie?«.
»Ava … Forsyte.«
Die junge Frau hatte lange blonde Haare und ein hübsches Gesicht. George schätzte ihr Alter auf etwa zwanzig Jahre. An der rechten Schläfe hatte sie eine klaffende Platzwunde, aus der Blut sickerte.
»Kommen Sie, Miss Forsyte, ich bringe Sie in ein Krankenhaus.«
George griff nach ihrem Arm, um ihr hoch zu helfen, doch die junge Frau bewegte sich keinen Millimeter. Georges Blick fiel auf ihr Gesicht. Ihre Augen blickten starr an ihm vorbei in die Dunkelheit. Angst stand in ihrem Gesicht.
Schlagartig wurde ihm klar, dass sie beide nicht mehr alleine waren. Blitzschnell wirbelte er herum. Aus dem Schatten einer Nische löste sich eine große Gestalt mit grauen langen Haaren. George schauderte bei seinem Anblick. Er war mindestens ein Meter neunzig groß und seine stämmige Statur zeigte, dass er ein gefährlicher Gegner war. George konnte die Bedrohung, die von ihm ausging, beinahe körperlich fühlen. Bewegungslos starrte er wie gebannt auf die Gestalt vor ihm. Der Fremde trug einen langen schwarzen Ledermantel und betrachtete ihn eingehend mit einem leichten Grinsen im Gesicht.
Georg griff instinktiv in seine Hosentasche, griff nach dem Schlüsselbund und schleuderte ihn seinem Gegenüber ins Gesicht.
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