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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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weiter hin.
    Langsam streckte ich den Arm aus und nahm es. »Danke.«
    Er lächelte ein wenig steif. »Ich muss zugeben, dass ich oft an Ihre Familie gedacht habe. Miss Dearlys Tante, Mrs.   Ortega, wohnt derzeit bei uns, wissen Sie.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das wusste ich nicht. Geht es ihr gut?«
    Er runzelte die Stirn. »Dann hat sie sich also noch nicht bei Ihnen gemeldet? Ja, es geht ihr gut.«
    »Und ihre Bediensteten?« Ich dachte an Matilda und Alencar und machte mir auf einmal Sorgen um sie.
    »Das müssen Sie sie wohl selbst fragen, leider weiß ich es nicht. Bei uns sind sie nicht. Wirklich, ich halte es für wenig anständig, dass sie nicht mit Ihnen in Kontakt getreten ist.«
    Meine Mutter setzte sich aufrechter hin. »Tja, Mr.   Allister, Sie bewegen sich nun mal in Kreisen, die über den Austausch einiger notwendiger Worte hinaus für gewöhnlich keinen weiteren Kontakt mit uns pflegen. Was auch Ihre Eltern gestern anschaulich demonstriert haben.«
    Michael hustete. »Ich kann mich nicht im Namen meiner Eltern bei Ihnen entschuldigen, aber es tut mir leid, dass Sie diese Kränkung erfahren mussten. Es war nicht meine Absicht, Sie dem auszusetzen. Ich brauche die Erlaubnis meiner Eltern, um mit Ihnen sprechen und hierherkommen zu dürfen, aber …« Sein Blick richtete sich wieder auf mich. »Es kümmert mich nicht, wie widerwillig sie mir erteilt wurde, solange ich sie nur bekomme. Ich hoffe, Sie als Freundin betrachten zu dürfen.«
    »Und ich hoffe, Sie ebenfalls als Freund betrachten zu dürfen«, gab ich zu.
    Meine Mutter sagte nichts, machte sich jedoch mit mehr Geduld als üblich an ihre Stickerei, was mir sagte, dass sie vor Freude tanzen wollte.
    Der Rest des Besuchs verlief in gewöhnlichen Bahnen, wir redeten über das Wetter und über die Schule. Michael ging nach St.   Arkadien. »Ich hoffe, wir können demnächst einmal mehr Zeit miteinander verbringen«, sagte er schmunzelnd. »Ich könnte Ihnen so einige Geschichten über die Schule erzählen. Das würde uns beide vielleicht etwas aufheitern.«
    »Ich nehme fast an, ich könnte Sie mit meinen Geschichten sogar noch übertreffen«, meinte ich. »Ich sehe die Dinge schließlich aus der Sicht einer Außenstehenden, vergessen Sie das nicht.«
    Michael zupfte am Revers seiner Weste. »Glauben Sie, hm? Dann ist es abgemacht. Verbale Pistolen im Morgengrauen.«
    Ich musste tatsächlich lächeln.
    Und dann hörte ich die Schreie.
    Wir sprangen alle gleichzeitig auf wie Marionetten, die am selben Faden hingen. Michael und ich rannten zum Wohnzimmerfenster, während meine Mutter zur Tür lief. Nachdem ich die Vorhänge zur Seite gerissen hatte, sah ich eine Gruppe Menschen, die in Richtung Stadtrand flohen. Hinter ihnen lief ein Mann, der einen blutigen Arm in die Höhe gereckt hatte.
    Seine Hand umklammerte einen Bogen.
    Mein Gott.
    »Miss Roe!«, rief Michael mir nach, als ich losrannte.
    Ohne einen bewussten Gedanken riss ich den ersten Gegenstand aus dem Schirmständer, auf dem meine Hand landete. Zufällig war es der neue Sonnenschirm. In der offenen Tür stand meine Mutter. Sie hielt die Faust vor den Mund gepresst und ich musste sie aus dem Weg schieben, um aus dem Haus zu kommen. Sie packte den Stoff meines Rockes und versuchte, mich wieder hineinzuziehen.
    »Pamela, was tust du da?!«
    »Lass mich los!«, schrie ich. »Lass los! Das ist Mr.   Coughlin, das ist Ebenezer Coughlin! Jemand muss ihm helfen.«
    »Das wird auch jemand tun! Komm zurück, das ist nicht deine Aufgabe!«
    Wie sehr ich mir wünschte, sie hätte recht. Ängstlich ließ ich meinen Blick über die Menschenmenge schweifen und hoffte, jemanden zu sehen, der Mr.   Coughlin zu Hilfe eilte. Aber sie rannten einfach alle weiter. Niemand blieb stehen.
    Ich packte meinen Rock und riss ihn meiner Mutter aus den Händen. Dann rannte ich auf die Straße, mitten hinein in den gewaltigen Menschenstrom, die Einzige, die in die andere Richtung wollte. Ich benutzte den Sonnenschirm, um die Leute aus dem Weg zu schubsen, wenn sie nicht beiseitetraten, und kämpfte mich so vorwärts. Mein einziger Gedanke war, den armen Mann zu erreichen und ihm zu helfen.
    Das Band um meinen Hals löste sich und flatterte im kühlen Wind davon, als ich endlich das Ende der Menge erreicht hatte. Ich rannte auf Ebenezer zu. »Mr.   Coughlin! Oh, Mr.   Coughlin, kommen Sie, ich bringe Sie ins Haus …«
    »Sie hat mich gebissen! Sie hat mich gebissen !«
    »Kommen Sie, hier, zum

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