Dark Love
winkte er mir schon zu und schloss die Tür.
Ich funkelte die Tür von innen an. Ich würde ihn umbringen müssen. Das war zwar jammerschade, aber nicht zu ändern. Es ging ums Prinzip.
Chas hatte ein Fenster in ihrem Zimmer. Sie drückte die Zigarette in einer Glasschüssel aus, bevor sie die Fensterläden öffnete und etwas Sonnenlicht hineinließ. Ihr Zimmer war das reinste Katastrophengebiet. Überall lagen Kleider verteilt, ihre Poster und Farbdrucke lösten sich aufgrund der Feuchtigkeit an mehreren Stellen von der Wand und der Boden war praktisch gepflastert mit verschiedenen Plastikschnipseln. Mit dem Fuß schob sie etwas von dem Müll beiseite und bahnte sich so einen Weg. »Entschuldige die Unordnung«, lachte sie. »Ich bin eine Chaotin.« Sie zog die Decken über ihr Bett und forderte mich mit einer Handbewegung auf, mich zu setzen.
Das tat ich, nahm die abgewandelte … Dings-Sense aber mit. Ich lehnte sie an die Wand, neben das Poster eines Jungen mit scharf gezeichneten Gesichtszügen, der ein Jabot und Perlenketten trug. Oder war es ein Mädchen? Ich konnte es nicht sicher sagen. Chas sah, wie ich das Bild betrachtete. »Oh, das ist Tory Angel – oder manchmal Victoria Angel. Er ist ein Untergrundsänger und seine Musik ist der Hammer. Kennst du ihn?«
»Nein. Ist er ein Punkkünstler?«
»O nein, er ist Neuviktorianer. Das war ich vor meinem Tod auch.«
Ich starrte sie ungläubig an. »Wirklich?«
Sie nickte fröhlich. »Jep! Aus Buffalora.«
Dieser Name brachte etwas zum Klingen. Buffalora lag an der Grenze zwischen Panama und Kolumbien. »Das kenne ich! Vor ein paar Jahren wurde es von einem schweren Sturm verwüs…« Unsere Blicke trafen sich und ich verstand. »All die Toten, vor ein paar Jahren.«
»Zehn Punkte für dich! Diese Geschichte ist bis heute noch meine Lieblingsvertuschungsaktion der Regierung.« Chas deutete auf ihre Haare. »Lass mich nur schnell die Folie loswerden, bevor wir loslegen … aber, ja, wie auch immer. Krass. Es kommt mir schon so lange her vor. Ich war eine echte Prinzessin, das kann ich dir sagen. Einzelkind und furchtbar verwöhnt.«
»Dann warst du also vorher auch noch nicht in der Armee?«
Sie begann, die Alufolienstreifen zu entfernen, und jetzt zeigte sich, dass sie rosa und lila Strähnen in ihr Haar gefärbt hatte. »Oh, Teufel, nein. Meine Eltern hätten mir den Kopf abgerissen. Ich war mit dem Besitzer einer Weinplantage verlobt und deswegen schon ganz aufgeregt. Nicht seinetwegen – er wog etwa zweihundert Kilo –, aber ich hätte mein Leben lang umsonst saufen können. Ich wäre die nächste Marie Antoinette geworden, verstehst du? Partyparty. Und dann haben sich die Toten zum Verlobungsessen eingeladen.«
Ihre Stimme klang flapsig, aber es versetzte mir trotzdem einen hilflosen Stich. »Das tut mir leid.«
»Ja, war ein schrecklicher Tag. Aber …« Sie zuckte die Schultern und begann, sich die Haare über einer Waschschüssel auszuspülen. »Es hat auch schon bessere Menschen als mich erwischt. Mum und ich waren die einzigen Überlebenden. Und wenn ich ›Überlebende‹ sage, meine ich, dass wir wiedererwacht sind und nicht völlig verrückt waren wie zum Beispiel Onkel Marcos.«
»Wo ist sie?«
»Im Zimmer nebenan.«
Mein Blick huschte zur Wand. Chas schüttelte den Kopf. »Auf der anderen Seite. Aber ja, sie ist hier. Sie arbeitet für Wolfe, näht und flickt. Zivilarbeit. Ich glaube«, sagte sie und wickelte sich ein Handtuch um den Kopf, »dass der Tod unsere Beziehung gerettet hat. Die war nämlich eine Weile lang ziemlich angespannt, aber jetzt sind wir die besten Freundinnen. Du musst sie unbedingt kennenlernen.«
Der Gedanke daran, einem weiteren Zombie vorgestellt zu werden, erfüllte mich nicht gerade mit großer Vorfreude, also hielt ich lieber den Mund. Trotzdem fand ich den Gedanken tröstlich, dass Familienbande auch nach dem Tod noch Bestand hatten. Vielleicht könnte ich das ja auch eines Tages über mich und meinen Vater sagen.
Chas schüttelte ihr Haar aus. »So wird’s gehen. Also los!« Sie warf das Handtuch zur Seite und betrachtete mich. »Hm, ich weiß noch nicht genau, wie wir es angehen sollen. Aber ich habe alles da – ich sammle Sachen in den verlassenen Häusern ein, wenn wir in einen Einsatz geschickt werden. Ich finde, es ist kein Diebstahl, weil die Sachen ja sowieso niemand mehr benutzen würde.«
»Oh«, war alles, was mir dazu einfiel.
»Was hältst du von kurzen Röcken?«
Ȁhm, ich habe
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