Dark Love
kann.«
Ich verbiss mir tapfer jeden Kommentar.
»Es tut mir leid, dass ich noch nicht eher Gelegenheit hatte, mit Ihnen zu sprechen. Sie müssen schrecklich verwirrt sein. Aber ich kann Ihnen anhand ausführlicher Materialien erklären, was es mit den Soldaten auf diesem Stützpunkt auf sich hat und welche Rolle Ihr Vater dabei …«
Ich blendete seine Stimme aus und konzentrierte mich auf meine Gedanken. Bram hatte mir bereits alles erzählt, was ich wissen musste, inklusive der Tatsache, dass man es ihm eigentlich verboten hatte. Hätte ich Wolfes kleinen dokumentarischen Vortrag unterbrochen, indem ich ihm mitteilte, dass ich bereits alles wusste, dann hätte ich Brams Grab damit wohl nur noch ein bisschen tiefer geschaufelt. Und das war das Letzte, was ich wollte. Aber ich wollte auch keine Zeit verlieren.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, Captain Wolfe, aber es gibt da etwas, das mich tatsächlich sehr verwirrt.«
Sein Kopf drehte sich den Bruchteil eines Zentimeters in meine Richtung. »Und was könnte das wohl sein?«
Ich beschloss, in seiner Sprache mit ihm zu sprechen. »Ich frage mich, warum ich mit einer Informationssperre belegt wurde.«
Wolfe blieb einen Moment lang stumm und als er wieder sprach, galten seine Worte nicht mir. »Dr. Salvez, würden Sie mir den Gefallen erweisen, mich unter vier Augen mit Miss Dearly sprechen zu lassen?«
»Äh, natürlich.« Horatio erhob sich und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. »Ich werde draußen auf Sie warten, Miss.«
Ich erwiderte den Blick. »Dann sind Sie jetzt also Doktor Salvez?«
»Ja, das bin ich tatsächlich«, entgegnete er und konnte ein stolzes kleines Lächeln nicht unterdrücken. Er verbeugte sich und verließ den Raum.
Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lehnte Wolfe sich über den Tisch nach vorne. »Miss Dearly, ich opfere hier meine Zeit, um mit Ihnen zu sprechen. Ich enthalte Ihnen nichts vor. Ich hatte gehofft, mir damit Ihr Vertrauen zu sichern. Es existieren nun einmal gewisse Protokolle, an die wir uns zu halten haben.«
»Wie das Protokoll D ?«
Wolfe lehnte sich wieder zurück und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ja. Darf ich fragen, wo Sie diesen Ausdruck gehört haben?«
Na, ganz toll. Ich versuchte zurückzurudern, indem ich das Thema wechselte. »Sogar Gefangene haben das Recht auf einen Anruf. Und soweit ich weiß, bin ich keine Gefangene. Mir wurde noch nicht einmal gesagt, ob meine Familie weiß, dass ich in Sicherheit bin.«
»Nein, Sie sind keine Gefangene.« Aus einem Humidor auf seinem Schreibtisch förderte Wolfe eine Zigarre zutage. »Ich hatte angenommen, Sie wären ein intelligentes Mädchen. Da dieser Punkt jedoch offensichtlich noch zur Debatte steht, werde ich mich besonders klar ausdrücken. Sie sind hier, weil es der letzte Ausweg für Sie war. Es ist nicht gerade der sicherste Ort der Welt, aber es muss reichen. Die Soldaten hier sind im Grunde ihres Wesens Kreaturen, die Sie eher fressen als Ihnen in die Augen sehen wollen.«
Da erzählte er mir nichts, das ich mir nicht selbst schon tausendmal vorgebetet hatte. Ich war mir im Klaren darüber, dass jeder hier eine potentielle Gefahr für mich darstellte und dass ich ihnen nicht trauen sollte.
Aber … ich begann sie zu mögen. Jedenfalls mehr als diesen aufgeblasenen Gorilla vor mir. Plötzlich verstand ich, was Samedi mit seinem Affenkommentar gemeint hatte.
»Es sollte Sie im Moment nicht kümmern, ob Sie nun mit Ihren Freunden plaudern oder fernsehen dürfen. Sie müssen sich vielmehr Gedanken um Ihr Überleben machen.« Er deutete auf sich selbst. »Ich sorge mich um Ihre Sicherheit. Ich sorge mich praktisch um nichts anderes mehr.«
»Ich rede nicht davon, dass ich einen Fernseher im Zimmer haben will«, verteidigte ich mich. »Um so einen Blödsinn geht es mir nicht. Ich möchte nur wenigstens meiner Freundin Pamela Roe sagen, dass es mir gu…«
»Wenn Sie klug sind, dann gehen Sie den Untoten aus dem Weg, so gut Sie können, und betrachten alles, was sie Ihnen erzählen, mit einem Quäntchen Misstrauen.« Um mich zu unterbrechen, musste Wolfe nichts weiter tun, als den Mund zu öffnen. Seine Stimme übertönte die meine bei Weitem. »Haben Sie mich verstanden?«
Ich hielt mir vor Augen, dass Wolfe Captain in der Armee war, und brachte zähneknirschend ein »Sir« heraus, anstatt ihm entgegenzuschleudern, was ich wirklich sagen wollte. Es war klar, dass er mich nicht ernst nahm und meine
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