Dark Love
sicherzugehen, dass es noch da war. »Tja«, begann er. Dann verstummte er wieder. Aus irgendeinem Grund wanderte sein Blick langsam von mir zu ihr.
»Was?«, fragte ich.
Coalhouse schüttelte den Kopf und antwortete nicht. »Also gut. Ich bin ein Punk. Mit sechzehn bin ich zur Armee gegangen. Meine Eltern haben einen Kurzwarenladen in Tesla Lake, aber wahrscheinlich weißt du nicht, wo das liegt. Ich war immer gut im Schießen, also bin ich der Artillerie beigetreten. Ich war in ein paar Schlachten gegen die Viks dabei.« Er senkte den Blick. »Sie kamen acht Monate, nachdem ich mich verpflichtet hatte. Haben nicht viele von uns erwischt, aber ich gehörte zu den wenigen, die es getroffen hat. Wir haben nachts gegen sie gekämpft – super, hm? Als er mich gebissen hat, habe ich es nicht mal gesehen, nur gefühlt.«
Er zog sein Shirt hoch und zeigte mir die Narbe an seiner Taille. Die Bissspuren waren schwarz gerändert und klar umrissen. Ich sah, wie Nora die Lippen aufeinanderpresste und die Kiefermuskeln anspannte.
»Entschuldige.« Er ließ sein T -Shirt wieder sinken. »Wie auch immer, ich habe es geschafft, auf einen Baum zu klettern, auf einen von diesen großen, mit Blättern, die wie lackiert aussehen. Da oben bin ich dann gestorben, zwischen den Ästen, als es gerade hell wurde. War einer der schlimmsten Sonnenaufgänge, die ich je gesehen habe. Die Sonne sah irgendwie hässlich und krank aus wie gelber Alkohol. Vermutlich hat sie’s gewusst. Ein paar Sekunden später bin ich wieder aufgewacht. Und das Erste, was ich gesehen habe, war er. Und er hat immer noch auf mich gewartet .«
Coalhouse funkelte Tom an.
Tom richtete einen Finger auf Coalhouse. »Ich hab’s dir schon gesagt , es war nichts Persönliches . Du saßt auf dem Baum fest! Ich wusste, dass ich nur lange genug warten musste, denn irgendwann musstest du ja runterkommen! Konnte ja nicht ahnen, dass du inzwischen dein Verfallsdatum überschritten hattest. Ich war geistig nicht ganz da.«
Nora sprang auf die Füße und wich zu mir zurück. Egal warum und wieso – ich liebte, liebte es, wenn sie das tat. Sie ernannte mich damit zu ihrem Beschützer, als wäre ich doch zu etwas gut. » Du hast ihn gebissen?!«
Coalhouse gab einen ärgerlichen Laut von sich und drehte sich weg von Tom. »Wir waren in derselben Kompanie«, grollte er. »Er ist etwa zwei Monate vorher verschwunden.«
»Es waren nur ungefähr sechs Wochen. Nicht, dass es wichtig wäre. Herrje, wie oft soll ich mich denn noch entschuldigen?«
»Du hast mich umgebracht, du Arsch!«
»Es war ein Unfall .«
Tom und Coalhouse stritten sich immer mal wieder wegen dieser Sache und Chas und ich wussten, was jetzt kam. Chas stand auf und legte ihren Arm um Nora. »Hey, Ren ist sicher gleich so weit. Lass uns doch … ähm … hier lang …«
Nora rührte sich nicht. Sie starrte die beiden Zombiejungs an, die sich immer weiter hineinsteigerten und inzwischen ebenfalls aufgesprungen waren.
»Du hast mich umgebracht ! Dafür kann man sich nicht entschuldigen!«
»Dann tut es mir eben nicht leid.«
»Du Hurenso…«
»Hey, lass gefälligst meine Mutter da raus.«
»Du hast also Menschenfleisch gegessen.«
Die letzten Worte kamen von Nora. Beide hielten inne und sahen sie an. Ihre Augen waren groß, ihre Wangen blass. Sie erwiderte Toms Blick.
Frustriert ließ er die Arme sinken. »Ja, habe ich«, murmelte er.
»Und zwar meins «, setzte Coalhouse nach.
»Und das von anderen.« Tom wandte sich ihm zu und hob einen Finger. »Weißt du was? Benimm dich endlich mal wie ein Mann und nicht wie eine Heulsuse – buhu, er hat mich gebissen, mein Leben ist im Arsch. Das geht uns allen so! Unser Leben ist genauso im Arsch, okay? Vielleicht glaubst du ja, deins wäre in irgendeinem Super-extra-funkel-Regenbogen-Einhorn-Arsch, aber das ist es nicht. Komm endlich damit klar! Schmeiß dein blödes nutzloses Auge weg und finde dich damit ab !«
Und schon ging es los. Coalhouse machte einen drohenden Schritt nach vorne. Irgendetwas stellt der Lazarus mit unserem Hirn an, sodass wir uns untereinander wie rivalisierende Tiere benehmen. Vor allem bei den verwilderten Rudeln kann man das oft beobachten. »Dann gibst du also zu, dass du ein Monster bist. Ja? Zeig uns doch, was du am liebsten mit uns allen anstellen würdest. Was du am liebsten mit dem Mädchen machen würdest!«
Tom versetzte Coalhouse einen Stoß gegen die Schulter. »Ach, halt’s Maul. Ich hab keiner Fliege was zuleide
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