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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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unzusammenhängend. Noch nie hatte ich gesehen, wie sich ein anderer Zombie so bewegte. »Unschuldig?« Er trat ein Stück Holz aus dem Weg und es zerbarst an der Wand. »Meine Kinder waren unschuldig!«
    »Sie sind ein Monster!«, brüllte ich.
    Avernes Augen hatten im schwindenden Licht ihren Glanz verloren und ich hatte fast das Gefühl, es mit einer Art Golem zu tun zu haben. »Monster?«, fragte er mit plötzlicher Klarheit in der Stimme. »Ich bin also das Monster? Ich habe Beweise, dass Sie diese Seuche entwickelt haben.« Averne nickte, als höre er seine eigenen Worte gerade zum ersten Mal. »Ich muss schon sagen, ich habe viel aus den Akten gelernt, die Wolfe mir zur Verfügung gestellt hat. Sie haben ein sehr viel größeres Wissen über die Seuche als irgendjemand sonst. Wie könnten Sie nicht der Erschaffer sein? Ich habe selbst einige Experimente durchgeführt, wissen Sie, aber …« Er wedelte mit einer Hand. »Sie sehen ja, mit was ich hier arbeiten muss.«
    Mein Innerstes begehrte gegen die Frage auf. »Experimente?«
    Er nickte geistesabwesend, als hätte er schon vergessen, was er hatte sagen wollen. »Ja. Natürlich haben meine Männer mir dabei geholfen. Auf meinen Befehl hin haben sie sich mit den Untoten angelegt, damit ich sehen konnte, wie sie kämpften. Auf meinen Befehl hin ließen sie sich beißen, damit ich sehen konnte, wie die Seuche sich entwickelte.« Er zuckte mit den Schultern. »Nichts Ungewöhnliches. Nichts, was nicht jeder Patriot tun würde, um sein Volk zu schützen.«
    Nichts Ungewöhnliches? »Sie haben Ihre eigenen Männer geopfert?«
    Er kam wieder näher. »Sie waren dazu da, um von mir geopfert zu werden!« Er warf die Arme in die Luft. »Ich war noch ein Junge, als ich der Punkarmee beigetreten bin. Ich dachte, ich würde meinem Land einen Dienst erweisen. Doch was musste ich stattdessen sehen? Tapfere Männer, die von der Hand ihrer eigenen Landsleute starben. Stolze Männer, die dazu herabgewürdigt wurden, um ein paar Meter Schlamm zu kämpfen – Land, das ihnen viktorianische Soldaten sofort wieder abjagten. Und dann, dann fingen Ihre Monster an, uns anzugreifen, und die Schwachköpfe, die das Kommando führten, erlaubten einen Waffenstillstand. Ich hatte genug. Ich sammelte meine loyalen Männer um mich und ging.«
    Ich verstand – damals hatte er also endlich bekommen, was er sich am meisten gewünscht hatte. Vor meinem geistigen Auge sah ich den in Ungnade gefallenen Major und seine eigene kleine Privatarmee, eine Ein-Mann-Sezession, immer in Bewegung. Ich sah, wie seine Armee schrumpfte, wie sie durch seinen Irrsinn und Kontakt zu den Toten zerstört wurde, bis er nur noch König eines Knochenhaufens war. Wer wusste schon, wie viel davon der Wahrheit entsprach und wie viel meiner Einbildung entstammte? War das überhaupt so wichtig?
    Verständnis war nicht das gleiche wie Billigung.
    Mein Blick wanderte wieder zu der Funkausrüstung auf dem Tisch. »Dann hat Wolfe Sie also mit allem versorgt?«
    »Ja.« Er rieb die Finger aneinander. »Meine Männer und ich haben diesen Stützpunkt errichtet. Stellen Sie sich das nur vor. Überall um uns herum leben und kämpfen Menschen, sie ziehen von Ort zu Ort … aber wer würde schon einer Wüste aus Salz trotzen? Wolfe hat es sogar fertiggebracht, dass meine Truppen in Fahrzeugen der Stadtverwaltung nach New London geschmuggelt wurden. Ich liebe es, Dinge an offensichtlichen Orten zu verstecken.«
    »Dann halten Sie also noch immer Kontakt zu Ihren Truppen in New London?«
    Avernes Augen hefteten sich wieder auf mich. »Nein, es wäre reiner Selbstmord, mir von den Männern aus dem Zentrum ihrer Stadt Nachrichten übermitteln zu lassen. Aber das macht nichts. Sehen Sie, Doktor, meine Männer zeichnet eine Fähigkeit aus, die Ihren Männern offensichtlich fehlt: und zwar die Gabe, an den größten nur vorstellbaren Projekten mitzuwirken, mit nichts weiter bewaffnet als ein paar Schrauben und Muttern und etwas Einfallsreichtum.«
    Eine Weile lang schwieg ich, bevor ich eine sehr logische Frage stellte. »Woher wissen Sie dann, dass auch geschieht, was Sie befohlen haben?«
    Als ich noch ein junges Bürschchen in der Schule gewesen war, hatte ich mir immer einen Spaß daraus gemacht, meine Lehrer mit Tatsachen zu konfrontieren, die allem vollkommen widersprachen, was sie uns immerzu in die Köpfe zu hämmern versuchten. Ihre verblüfften und verärgerten Mienen erheiterten mich stets aufs Neue. Als er endlich begriff und

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