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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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brüllend und schlagend auf mich losging, lachte ich und wünschte mir mehr als alles andere, ich könne sein Gesicht sehen.
    » Sie haben es getan !«, brüllte er. »Oh, glauben Sie mir, sie haben es getan! Jeder, den Sie je gekannt haben, jeder, der je diese Straßen betreten hat, wird binnen einer Woche tot sein!«
    »Und dann werden die Untoten auf Ihr Volk losgehen!«, versetzte ich. »Sie werden Ihre Leute fressen! Und dann – ich weiß, es klingt verrückt, aber glauben Sie mir – dann werden Sie einen Weg nach Afrika finden und dann wird dort alles von vorne losgehen! Ich glaube nicht … ich kann einfach nicht glauben, Sir, dass Sie Ihren schlauen Plan ganz durchdacht haben.«
    Er brüllte auf, wandte sich ab und durchschritt das Langhaus. Mein ganzer Körper schüttelte sich vor Gelächter. Ich presste etwas Luft in meine Lungen, um die gebrochenen Rippen nach außen zu drücken.
    Oh, genau das hatte ich gebraucht. Jetzt betrachtete ich diese ganze Sache wieder im rechten Licht. Er hatte Nora nicht, noch nicht. Er hatte keinerlei Kontrolle über seine Truppen. Damit konnte ich arbeiten.
    Neben mir bewegte sich Henry und öffnete langsam die Augen. »Wa…«
    »Bleiben Sie still liegen«, flüsterte ich. »Bewegen Sie den Kopf nicht. Dort liegt der Sprengstoff.«
    Er riss die Augen auf. »Nicht … m-mehr …«
    »Halten Sie einfach den Kopf still.«
    Wenn ich Glück hatte, würde seine Unsicherheit Averne dazu bringen, Wolfe zu kontaktieren. Das wäre genau die Ablenkung, die ich brauchte.
    Averne achtete nicht weiter auf uns, er strich umher, lief auf und ab, auf und ab, so regelmäßig wie das Pendel einer Uhr. Ein paar Stunden später öffnete sich die Tür und ich konnte den Nachthimmel erkennen. Wieder dachte ich an Elizabeth und schloss die Augen. Wenn ich erst einmal im Himmel war – falls ich es jemals dorthin schaffen würde –, gab es so viel, für das ich sie um Verzeihung bitten musste.
    Der Geruch von gebratenem Fleisch brachte mich in die Gegenwart zurück.
    Einer der Wachsoldaten kam mit seinem Speer auf dem Rücken herein. Er hielt einen Blechteller mit mehreren Stücken verkohlten Fleisches darauf, stellte ihn auf dem Tisch ab und grunzte Averne etwas zu.
    »Hinaus«, bellte Averne verächtlich.
    Ich fragte mich nicht, ob das da auf dem Teller vielleicht Menschenfleisch war. Ich wusste, dass es nicht sein konnte. Die Welt um mich verlangsamte ihr Tempo, als mein Verstand einen Gang hoch schaltete. Die Art, wie er sich bewegte, gebratenes Fleisch, wieso war mir das nicht eher aufgefallen?
    Averne, was auch immer sonst mit ihm los war, lebte noch.

Während der folgenden Nacht gab es ein paar Mal Strom, aber an Heiligabend saßen wir wieder im Dunkeln.
    Isambards Welt versank momentan in der Tragödie, dass ich mit dem Rest der Familie die Mitternachtsmesse besuchen durfte und wir uns deshalb einen Platz ganz hinten würden suchen müssen – unter den Holzbalkonen, auf denen der Adel saß. Wir würden also buchstäblich unter ihnen stehen. Ich wollte ihm sagen, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte und dass Gott ihn auch dort im Schatten sehen konnte, aber ich wusste, dass er wie viele Viktorianer hauptsächlich in die Kirche ging, um von anderen Viktorianern gesehen zu werden.
    Dasselbe galt vielleicht auch für den Rest meiner Familie, auch wenn ich noch nie zuvor Grund hatte, davon auszugehen.
    Ich selbst betete bereits, seitdem ich aus meinem selbst herbeigeführten Schlaf erwacht war. Ich hatte in der Badewanne gebetet und vor meinem Wandschrank. Meine Schultern würden vermutlich bald dauerhaft in gebückter Haltung erstarren.
    Ich betete, weil ich die Delgados nicht aus meinem Kopf verbannen konnte und weil ich die Gedanken an sie durch etwas anderes ersetzen musste.
    Ich hatte Mr.   Delgado, den potenziell kranken Fischhändler, nicht wiedergesehen. Ich hatte an meinem Fenster Wache gestanden und darauf gewartet, ob er noch einmal herauskommen würde. Ich hatte sonst nichts zu tun, keine Aufgabe, auf die ich meine Aufmerksamkeit richten konnte, und all die Stunden leerer Zeit verstärkten meine Zwangsvorstellungen nur. Allmählich glaubte ich schon, er würde auftauchen und wieder verschwinden, ohne dass ich ihn zu sehen bekam, wenn ich mich auch nur eine Sekunde vom Fenster entfernte, um mir einen Schluck Wasser oder einen Schal zu holen. Auch wenn mir natürlich klar war, dass wir inzwischen bereits alle tot wären, wenn sich die Kranken wirklich derartig schnell

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