Dark Love
bei Verstand.
Bevor ich weiter protestieren konnte, öffnete Dad die Tür und sprang so schnell die Stufen hinab, als versuche er, einen Sturz abzufangen. Er nahm meine Hand und zog mich zu sich. Seine Augen waren kalt. »Du tust, was deine Mutter sagt.«
»Vater …«
Er schüttelte mich leicht am Arm. »Lass mich das nicht noch einmal sagen! Denk daran, was passiert ist, als du das letzte Mal nicht gehorcht hast! Willst du zurück ins Gefängnis?«
Mein Gesicht brannte bei der Erinnerung. Dem konnte ich nichts entgegensetzen, das war mir klar. Zögernd nickte ich, trat zu ihm und folgte meiner Mutter und meinem Bruder, die in panischer Hast ins Haus stürzten.
Ich warf einen letzten Blick zurück auf Jenny, die noch immer dort stand. Während sie von Schluchzern geschüttelt wurde, sah sie mich mit ihren tränenlosen, verschleierten Augen an. Es war der Blick eines heimatlosen Tieres, das durch leidvolle Erfahrung gelernt hatte, niemandem zu trauen, und das doch noch immer instinktiv auf Hilfe hoffte. »Ich kann meine Familie nicht finden«, versuchte sie es noch einmal mit schwacher Stimme.
Ich konnte mich nicht mit meinem Vater streiten, doch ich konnte handeln.
Sobald wir im Haus waren, beschäftigte ich mich so lange mit dem Garderobenschrank, bis meine Eltern sich ins Wohnzimmer zurückgezogen und Issy die Treppe hinaufgegangen war, dann schlüpfte ich wieder durch die Tür nach draußen. Jenny war noch immer da und gab einen freudigen Laut von sich, als sie mich erblickte.
Ich rannte die Stufen hinab und machte ihr dabei Zeichen, ruhig zu sein, die sie sowohl verstand als auch befolgte. Ich wagte es nicht, ihr meine Hand zu reichen, aber ich winkte sie zu einer der Seitenstraßen. »Komm, Jenny, du wohnst gleich hier drüben.«
Sie schniefte. »Wirklich?«
»Ja, komm schon.« Ich nahm ein unglaubliches Risiko auf mich und zumindest konnte ich mich dabei beeilen.
Wir waren noch keine drei Meter weit gekommen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Ich fuhr zusammen und stieß einen kurzen, entsetzten Schrei aus, bevor ich erkannte, dass es die Hand meines Vaters war. Er war mir gefolgt. Ergeben blieb ich stehen und wartete auf das Donnerwetter.
Doch mein Vater sagte kein Wort. Er sah mich nicht einmal an. Stattdessen schob er mich vorwärts und bedeutete mir so, weiterzugehen. Eine Woge der Dankbarkeit überwältigte mich beinahe und ich musste mehrmals hastig blinzeln, um die Tränen zurückzukämpfen.
In unbehaglichem Schweigen liefen wir weiter. »Jenny«, fragte ich nach einer Weile. »Wie bist du überhaupt hinausgekommen?«
Sie gestikulierte schwach mit ihren pummeligen, verfärbten Fingern. »Mama und Papa waren in der Küche und Tata war nicht da. Ich wollte weg. Ich bin durch die böse Tür gegangen, nicht durch die gute Tür.«
Ich versuchte zu verstehen, was sie meinte. »Böse Tür? Die Vordertür?«
Sie nickte ernst. »Böse Tür.«
Das ergab Sinn. In den Hinterhof durfte sie vermutlich. »Weißt du, wo … Tata hingegangen ist? Ist das dein Großvater?«
Sie nickte. »Tata! Tata ist gefallen.« Sie sah zu Boden.
Die Hand meines Vaters schloss sich fester um meine Schulter. »Er ist … gefallen?«
»Mmm-hmm.« Das schien sie nicht weiter zu bedrücken. Vielleicht bedeutete »gefallen« ja auch etwas anderes als »tot«, auch wenn mein Kopf es sofort so übersetzt hatte.
Die Halperin Street, die Straße, in der ihr Haus lag, wirkte genauso ausgestorben wie unsere. Wir führten Jenny zum richtigen Gebäude und stiegen die Eingangstreppe hinauf. Dann sah ich meinen Vater an. »Ich glaube, wir sollten klingeln.«
Er drückte auf den Klingelknopf und gab mir so wortlos recht, auch wenn sich seine Finger so fest in meine Schulter gruben, dass ich am nächsten Morgen sicher blaue Abdrücke davon haben würde.
Zuerst erschien niemand an der Tür. Wir klingelten noch ein paar Mal erfolglos. Erst als ich gegen die Tür hämmerte und rief, wir hätten Jenny hier, hörte ich sich nähernde Schritte. Ich wich zurück.
Langsam öffnete sich die Tür, nur einen Spalt weit. Ich sah Mr. Delgados weißes Gesicht und schnappte nach Luft. Seine Augen waren blutunterlaufen.
Er sah hinab, und als er seine Tochter erkannte, riss er die Tür auf, nahm sie auf den Arm und drückte sie gegen seine Brust. »Oh, mein Jennymädchen!«
»Papa!«, quietschte Jenny glücklich und warf die kurzen Ärmchen um ihn.
»Danke«, sagte Emanuel und sah uns an. » Vielen Dank . Sie ist
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