Dark Love
Gedanken fassen, mich zurückdrängen oder nach Michael Ausschau halten konnte, klingelte mein Handy und die Titelmelodie von Princess Kitten ertönte.
Ja, ich stehe immer noch auf Princess Kitten .
Ich durchfühlte meine Taschen und fand schließlich das rosarote Plastiktelefon in Form eines schlafenden Kätzchens. Ich klappte es auf. Entgangener Anruf, unbekannte Nummer. Entgangener Anruf? Ich hatte ja nicht einmal die Chance gehabt, das Gespräch entgegenzunehmen. Hier unten gab es keinen Empfang, vielleicht war der Anruf eingegangen, während ich noch auf der Treppe gewesen war.
Normalerweise hätte ich auf einen unbekannten Anrufer nicht reagiert, jetzt aber fragte ich mich, ob mich vielleicht jemand zu erreichen versuchte, der in dieser Katastrophe in ernsten Schwierigkeiten steckte. Nur ein paar Freunde und Familienmitglieder besaßen meine Nummer. Vielleicht rief einer von ihnen von einem fremden Handy aus an.
Ich betrachtete das Plastikkätzchen in meiner Hand und spürte einen Knoten im Magen. Das war reine Spekulation. Es war dumm. Ich war keine Heldin. Ich war eine Bäckerstochter.
Mein Vater rief noch immer nach mir. Ich wandte mich um und rannte die Stufen wieder hinauf.
Und tatsächlich begann das Telefon wieder zu klingeln, noch bevor ich oben angekommen war. Ich lehnte mich schutzsuchend gegen die Wand, und während die verängstigten Massen gegen mich drückten, nahm ich das Gespräch an. »Hallo?«
»Hlll?«, sagte jemand. Das Signal war schwach und die Stimme verzerrt. »Annt mchh öhrrr?«
»Was?«, rief ich. »Ich kann Sie nicht verstehen! Wer ist da? Sind Sie in Gefahr?«
»Pakkmma?«, versuchte es die Stimme noch einmal.
Plötzlich fühlte ich mich, als sei mein ganzer Körper ein Stück gefallen und von einem Gummiband wieder hinaufgerissen worden. Ein Schauer überlief mich. Sie war es. Ich wusste es einfach. Wie hätte ich ihre Stimme nicht erkennen können?
Unter all dem Rauschen war Nora.
Ich schrie ihren Namen, doch das Gespräch brach mit einem Klicken ab. Bevor ich aufheulen oder gegen die Wand schlagen oder einen Rückruf starten konnte, fühlte ich eine Hand auf der Schulter. Noch bevor ich wusste, wer es war, deutete ich auf das Handy, blind vor Panik und Erregung. »Sie ist es! Sie ist es!«
»Wer?« Michael stand neben mir und schirmte mich mit seinem Körper gegen den Strudel ab.
»Nora!«
Michael sah mich ein paar Augenblicke fest an, bevor er antwortete. »Ich glaube wirklich, Sie sollten jetzt in den Tresorraum gehen, Miss Roe. Ich wäre sehr erleichtert, wenn ich Sie in Sicherheit wüsste. Geben Sie mir das Telefon.« Er streckte die Hand aus.
Fast hätte ich es getan. Ich blickte in Michaels schöne Augen und erkannte dort jemanden, der bereit war, meine Last zu schultern. Dann könnte ich bei meiner Familie bleiben und ihnen helfen, alles durchzustehen …
»Nein, nein, nein!« Das Brüllen kam von unten. Noch eine bekannte, weit entfernte Stimme.
Dad.
Ich rannte die Stufen hinab und Michael folgte mir. Die Tresortür schloss sich gerade. Ich kämpfte mich vorwärts, trat um mich und zertrampelte fremder Leute Füße, während ich versuchte, einen Blick in das Tresorinnere zu erhaschen. »Dad!«, schrie ich. »Nora braucht mich!« Ich streckte das Handy in die Luft und hoffte, er würde es sehen und verstehen.
»Pamela, komm her , sofort!«, brüllte er zurück. Da sah ich ihn. Er kämpfte darum, am vorderen Rand der Gruppe im Tresorraum und doch außerhalb der Reichweite des um sich grabschenden, vielarmigen Oktopus’ zu bleiben, in den sich der Mob vor der Tür verwandelt hatte. Isambard stand neben ihm, blass und mit weit aufgerissenen Augen.
»Miss Roe, gehen Sie! «, drängte Michael.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich liebe euch!«
Als mein Vater begriff, dass ich nicht kommen würde, sanken seine Arme schlaff herab. Er sah mich an, während ich mich langsam rückwärts von ihm entfernte, und in seinen Augen tobte ein Sturm. Ich wandte mich ab, denn ich konnte es nicht ertragen, zu sehen, wie sich die Tür endgültig vor ihm schloss, besonders, weil er nach mir gerufen hatte und auf mich wartete.
Er liebte mich trotz allem noch. Er wollte mich noch immer bei sich haben. Er dachte noch immer, ich sei es wert, gerettet zu werden.
Doch irgendwo dort draußen brauchte Nora mich vielleicht. Möglicherweise war ich ihre einzige Chance.
Jemand prallte gegen mich. Der Lärm schwoll an und wurde ohrenbetäubend. Menschen weinten, schrien und bettelten,
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