Dark Love
Sie, wir können den Stadtrand zu Fuß erreichen?«, fragte er dann zweifelnd.
»Vielleicht«, antwortete ich. »Aber wir wollten gar nicht zum Stadtrand. Dort liegt der Hafen, sonst nichts. Wir wollten zur Kathedrale der Heiligen Mutter.« Er sah mich skeptisch an. »Die Banktresore. Es dürfte schwierig für die Infizierten werden, sich durch Stahl zu beißen.«
Michael griff nach der Tasche, die er dabeihatte. »In Ordnung. Den Versuch ist es wert.«
Es war dumm, doch mein Magen schlug sogar in dieser Situation noch Purzelbäume, als ich ihm meine Hand entgegenstreckte. »Die Menge wird uns auseinanderdrängen und wir müssen zusammenbleiben.«
Michael nickte und verschränkte seine Finger mit meinen. Seine Haut fühlte sich heiß an.
Wenn ich schon gleich sterben musste, dann wenigstens glücklich.
Er schlug die Kutschentür zu und wir ließen uns vorwärts treiben. Ich versuchte, meine Familie in dem Gewühl ausfindig zu machen, doch sie waren uns schon zu weit voraus. »Warum sind Sie nicht mit Ihren Eltern gegangen?«, rief ich Michael zu.
»Weil ich wusste, dass sie es schaffen würden!«, brüllte er zurück und sah mich fest an. »Bei Ihnen war ich mir da nicht so sicher! Ich konnte Sie nach Ihrer Festnahme nicht mehr erreichen. Alles, was ich tun konnte, war, für Sie zu bürgen.«
Ich blinzelte verwirrt. »Sie haben für mich gebürgt?« In Neuviktoria konnte es von der Fürsprache eines mächtigen Adligen abhängen, ob man auf Kaution entlassen wurde oder im Gefängnis bleiben musste.
»Ja! Haben Ihre Eltern Ihnen das nicht erzählt? Ich habe sie an Ihrem Verhandlungstag bei Gericht getroffen.«
Ich schüttelte den Kopf und machte mir eine geistige Notiz. Falls Eltern überleben, sofort umbringen.
Vor der Kathedrale hatte sich bereits ein Mob gebildet. Anscheinend war meine Idee nicht so originell gewesen, wie ich gehofft hatte. Die Priester standen vor den Toren, riefen den Menschen Anweisungen zu und versuchten, die Situation zu entschärfen, indem sie die Leute sich in einer langen Reihe anstellen ließen. Ich schüttelte Michaels Hand ab und rannte auf Vater Rodriguez zu, den Priester, den ich am besten kannte. »Vater! Haben Sie meine Familie gesehen?«
Er sah mich mit loderndem Blick an und deutete auf die Eingangstore. Ich gab es an Michael weiter und wir versuchten, uns ins Innere der Kathedrale durchzukämpfen. Als wir uns durch die Reihen drängen wollten, schrien die anderen auf und versuchten, uns wieder hinauszustoßen. Michael rammte einem besonders groben Mann, der mich um die Taille gepackt hatte, sogar seinen Ellenbogen ins Gesicht und brüllte ihn an. »Lass sie in Ruhe, Mann! Die Familie dieser jungen Lady ist schon dort drin!« Der Mann ließ mich los und Michael schob mich weiter.
»Ich weiß nicht, in welchem Tresor sie sind«, rief ich. »Aber das ist auch egal, solange sie nur einen der beiden erreicht haben.«
»In Ordnung. Einer liegt im Keller, richtig? Sie sehen dort nach und ich kümmere mich um den hinter dem Altar.«
Nachdem das beschlossen war, rannte ich, so schnell ich konnte, in den Keller hinunter. Auch auf den Stufen hatte sich bereits eine Menschentraube gebildet und ich musste mich vorwärts kämpfen. »Roe!«, schrie ich. »Roe!« Niemand antwortete mir, doch auch viele andere riefen nach ihren Angehörigen. Einige der Menschen waren schwer mit Vorräten beladen, andere standen mit leeren Händen da.
» Roe! « Endlich hatte ich den Grund des Kellers erreicht. Die Luft hier unten war abgestanden und an den Wänden hatten sich Feuchtigkeitsflecken gebildet. Die Decke war niedrig und ein unverwechselbarer Geruch hing in der Luft, den auch jahrzehntelanger Einsatz von Industriereiniger nicht hatte vertreiben können, eine Mischung aus abgestandenem Kaffee, Tinte und billigem Lufterfrischer. Der Duft der Sonntagsschule. Große Möbelstücke stahlen wertvollen Raum und behinderten den Menschenstrom. Es gab kaum genug Platz zum Stehen.
Da vernahm ich die Stimme meines Vaters. »Pamela!«
Ich drehte mich einmal um mich selbst, um herauszufinden, aus welcher Richtung der Ruf gekommen war, bevor ich begriff, dass ich ihn durch die offene Tür des Tresorraums nur ein paar Meter vor mir gehört hatte. Die Freude, ihn dort drinnen in Sicherheit zu sehen, entlockte mir einen kleinen Aufschrei.
Mein Vater begann, sich zu mir durchzukämpfen. Ich schüttelte den Kopf. »Bleibt dort! Wir kommen zu euch!«, rief ich ihm zu. Bevor ich jedoch noch einen klaren
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