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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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Vater.
    Meine Mutter nickte.
    Jeder von uns versuchte, das auf seine Weise zu verarbeiten. Ich gestattete mir innerlich dreißig viel zu kurze Sekunden stummen Geschreis und wütenden, gotteslästerlichen Gezeters.
    Allerdings brachte das alles keinen von uns in Sicherheit.
    Ich schloss die Hände um die Tragegurte auf meinen Schultern. »Gehen wir.«

    Auf den Straßen herrschte bereits Chaos. Alle flohen in die Richtung, die auch wir eingeschlagen hatten, und wir mussten kämpfen, um nicht umgerissen zu werden. Das alles, kombiniert mit der Angst, dass einer der Menschen in der Menge, irgendeiner , vielleicht nicht floh, sondern jagte, versetzte mich in einen Zustand höchster Alarmbereitschaft und entsetzlicher Furcht. Wir versuchten mit aller Macht, uns mit verschwitzten und klammen Händen aneinander festzuhalten, doch trotzdem musste ich Dad und Issy mehrmals loslassen. Jedes Mal vergingen ein paar verzweifelte Momente, in denen ich Gott anflehte, sie mich in der Menge wiederfinden zu lassen. Und ich fand sie tatsächlich.
    Ein paar der Einwohner hatten den Versuch gewagt, mit dem Wagen aus der Stadt zu fliehen, doch ihre Kutschen fuhren nirgendwo mehr hin. Eine Kutsche in hellen Pastelltönen war gegen einen Hydranten gefahren. Darin saßen weinend eine Frau und ein Kind, während ein Mann mit Zylinder und perlmutternem Handy sinnlos mit seinem freien Arm dagegendrückte. Eine weitere Kutsche lag auf dem Dach, während ihre ehemaligen Insassen wie paralysiert am Straßenrand standen.
    Ein paar der digitalen Plakate funktionierten wieder und sie zeigten alle das gleiche Bild: die verwesende Gestalt des früheren Premierministers. Darunter leuchteten mehrere kurze Sätze. Auf den Kopf zielen. Krankheit wird durch Körperflüssigkeiten übertragen.
    Vier Blocks von unserem Haus entfernt hörte ich schließlich ein schwaches, sich wiederholendes Hupen. Ich sah über die Schulter und erkannte Michael Allisters blau emaillierte Kutsche, die sich durch die Menschenmenge vorwärts schob. Unvermittelt blieb ich stehen.
    »Komm schon, Pamela!«, rief meine Mutter.
    »Das ist Mr.   Allister!«
    Sie zog an meiner Hand. »Er wird schon hinterherkommen.«
    Ich wusste, dass sie recht hatte. Ich lief sogar noch ein paar Schritte weiter mit meiner Familie, obwohl ich dabei die ganze Zeit nach hinten sah. Doch dann bemerkte ich, dass Michaels Kutsche nicht mehr von der Stelle kam. Er war in den Menschenmassen gefangen.
    Ich konnte ihn nicht einfach so zurücklassen.
    »Er weiß nicht, wohin wir gehen! Ich hole ihn!«, sagte ich und befreite meine Hände. »Lauft zur Kirche! Geht in die Tresorräume!«
    »Ich werde dich nicht zurücklassen, auf keinen Fall! «, rief meine Mutter. Sie weinte wieder.
    »Geht! Und wenn ich nicht nachkomme, schließt euch ein!« Ich streifte meine Proviantbeutel ab und reichte sie meinem Vater. Dann umarmte ich meine Eltern oder jedenfalls alles, was ich von ihnen erreichen konnte. »Ich komme nach. Ich verspreche es, ich schaffe das schon! Geht!«
    Ich hörte, wie sie meinen Namen riefen, als ich mich gegen den Strom warf. Ich ignorierte ihre Stimmen und kämpfte mich durch das Menschenmeer, wie ich es schon einmal getan hatte. Als ich den Wagen erreichte, packte ich die elegante, adlerförmige Kühlerfigur und zog mich daran vorwärts. Die Fahrertür öffnete sich und ich kroch darunter hindurch, einen Moment lang gefährlich nahe am Boden.
    »Miss Roe!«, rief Michael, als ich mich wieder aufrichtete. Er sah erleichtert aus. Er trug nur Hosen, ein Hemd und eine Jacke und ich bemerkte trotz allem, dass er darin wie ein verwegener Abenteurer aussah. Sein Blick huschte schockiert an mir auf und ab. »Was in Gottes Namen haben Sie da an?«
    Ungeachtet der Gefahr, in der wir uns befanden, errötete ich. Michael Allister betrachtete meine Beine. »Wo sind Lord und Lady Allister? Und Mrs.   Ortega?«, fragte ich, während ich um Fassung rang.
    Mit einer Handbewegung bedeutete er mir, einzusteigen, während er die Beine zur Seite schwang, damit ich mich an ihm vorbeischieben konnte. »Sie sind nach Norden aufgebrochen. Ich bin nicht mit ihnen gegangen. Ich habe nach Ihnen gesucht, aber Sie waren nicht zu Hause. Steigen Sie ein, wir fahren zur anderen Seite der Stadt. Kommen Ihr Vater und Ihre Mutter auch?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie sind zu Fuß unterwegs. Mit diesem Ding kommen Sie nirgendwo mehr hin, Mr.   Allister.«
    Er schaltete den Motor aus und schien seine Gedanken zu ordnen. »Glauben

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