Dark Love
Vater schätzen gelernt hatte und wie viel Respekt er vor ihm hatte. Ich erfuhr, dass er immer noch manchmal daran dachte, einfach aufzugeben, durch die Tore zu treten und sich eine Kugel in den Kopf zu jagen, obwohl er immer wusste, dass er es nicht tun würde. Dass er weitermachen musste.
Auf die letzte Seite hatte er nur einen Satz geschrieben: »Sie ist so schön.«
Ich schloss das Tagebuch und küsste es. Ich gewöhnte mir an, es mit mir herumzutragen wie eine Kuscheldecke. Ich schlief jede Nacht mit der Wange darauf ein und stellte mir vor, es wäre seine Armbeuge.
Nach drei Wochen im Exil erfuhren wir, dass wir nach Hause gehen konnten. Alle Forderungen, Alba seines Amtes zu entheben, waren von Freunden und Familienmitgliedern der geistig gesunden Untoten niedergebrüllt worden. Die Armee hatte die Aufgabe übernommen, die Zombies sicher zur Christine und zur Erika zu geleiten, wo sie unter Quarantäne gestellt und behandelt wurden. Manchmal aber verloren sie auch dort noch den Verstand und mussten getötet werden. Einer von ihnen wurde zur Strecke gebracht, als gerade eine bekannte Fernsehreporterin vor einem der Wandschirme stand und über die Zustände auf den Schiffen berichtete. Als der Schuss krachte, fuhr sie zusammen und fiel beinahe in Ohnmacht. Ich betrachtete die Szene ohne jede Gefühlsregung.
Sobald wir sicher waren, dass für uns keine Gefahr mehr bestand, rief ich Pamela an. Ich schluchzte wie ein kleines Mädchen, als ich ihre Stimme hörte. Es ging ihr gut. Und ich weinte nur noch heftiger, als ich auch die Stimmen von Isambard und Coalhouse vernahm, die irgendwo in dem Zimmer, in dem sie sich befand, meinen Namen riefen.
Pamela berichtete, dass Charles Evola in jener Nacht einer der Ärzte auf der Christine gewesen war und dass er sich um Issy gekümmert hatte. Als der Befehl, alle Zombies zu töten, schließlich in Kraft gesetzt worden war, hatte er Pam, ihren Bruder und Coalhouse in dem frisch geleerten Kohlebunker versteckt und sie später in der Dunkelheit weggeschafft.
Während der letzten Wochen hatten sie sich im Keller der Bäckerei verborgen gehalten. Pams Eltern waren unverletzt in ihr Haus zurückgekehrt. Niemand sprach mehr davon, Pam zu ihren Verwandten zu schicken.
»Ich glaube, sie wissen noch immer nicht so recht, was sie von mir halten sollen«, berichtete sie mir. »Aber sie sind im Moment sowieso hauptsächlich mit Issy beschäftigt. Mum will einfach nicht aufhören, für ihn zu kochen. Ach ja! Diese Familie, die ich erwähnt habe, die Delgados, weißt du noch? Es geht ihnen gut. Mr. Delgado ist zu uns rübergekommen und hat uns gebeten, ein Auge auf ihr Haus zu haben, weil sie sich zu den Schiffen aufmachen wollten. Isambard redet ständig davon, dass er auf Jenny aufpassen will, wenn sie erst wieder zurück sind. Vor dieser ganzen Geschichte hätte er an so etwas niemals auch nur gedacht.«
Ich brachte tatsächlich ein schwaches Lachen zustande. »Dann sieht er die Dinge jetzt also in einem etwas anderen Licht?«
»Ja! Genau das. Er sagt, er wäre in einem Kohlebunker wiedergeboren worden und könnte nun wirklich auf niemanden mehr runterschauen.«
Ich fuhr mit den Fingern über den Rand von Brams Tagebuch und betrachtete es. »Weißt du, was ich glaube? Über die Menschen, die wieder zum Leben erwachen und sich dann wirklich gut schlagen? Ich meine, die nicht nur einfach überleben, sondern die wirklich etwas daraus machen?« Meine Augen brannten wieder. »Ich glaube, das sind die stärksten Menschen, die es gibt. Sie sind viel stärker als wir. Viel besser als wir.«
Pamela schwieg einen Moment, bevor sie mit sanfter Stimme antwortete. »Das glaube ich auch.«
»Ich versuche, auch so stark zu sein. Ich versuche es wirklich. Ich frage Dad, ob er mich in absehbarer Zeit auch wieder in den Norden schicken kann. Wahrscheinlich sind wir bald bei euch.« Ich seufzte. »Ich sollte jetzt gehen.«
»Wirklich? Ich will nur nicht, dass du glaubst, du wärst allein, Nora. Ich bin immer für dich da. Ich werde dich immer lieben und ich werde immer für dich da sein. Was auch geschieht.«
Ich lächelte durch meine Tränen. »Ich weiß, Pam.«
Ich hörte, wie über mir eine Tür zugeschlagen wurde. Dann erschien Samedis Kopf. »Nora? Nora, komm mal mit!«
Ich sah zu ihm auf. »Was ist los?«
»Ist das wieder dieser Doktor?«, fragte Pam am anderen Ende der Leitung.
Samedi sprang in das Unterdeck und nahm mir das Funkgerät aus der Hand. »Nora muss jetzt gehen.
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