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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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stand ich auf und hangelte mich schnell nach vorne. Als wir durch die Eingangstore des Wachhauses der Elysischen Gefilde krachten, stolperte ich auf das Mädchen zu und zog sie an mich, um sie vor den schlimmsten Stößen zu bewahren.
    Sie gab einen leisen Laut von sich, als würde sie nach Luft schnappen. Ich erstarrte.
    War sie etwa bei Bewusstsein?
    Das Röhren des Motors dröhnte in meinen Ohren, während ich eine Hand von ihrer Taille löste und nach einer Ecke des schwarzen Sackes griff, denn Tom ihr über den Kopf geworfen hatte. Ich hatte das wirklich nicht auf diese Weise tun wollen. Nicht, dass ich wirklich angenommen hatte, sie würde einfach mit mir kommen, weil ich sie nett fragte und den Namen ihres Vaters ins Spiel brachte.
    Aber ich hatte es doch gehofft.
    Als ich von meinem erfolglosen Versuch einer friedlichen Übernahme zurückgekehrt war – müde, erschrocken und sehr, sehr wütend auf mich selbst –, hatten mich die anderen damit aufgezogen, ich könne nicht mal ein Mädchen aufreißen. Tja, jetzt hatte ich sie ja. Sie lag leicht in meinem Arm und war so warm, dass sie mich fast verbrannte.
    Ich zog ihr den Sack vom Kopf und machte mich auf einen Schrei gefasst.
    Doch sie war noch immer ohnmächtig.
    Ich strich ihr die Haare aus dem Gesicht und wischte ihr den Mund mit meinem Ärmel ab.
    »Mann, ist die süß.«
    Ich hob den Blick und funkelte Coalhouse an. »Unpassend.«
    Sie war nicht nur süß. Sie war eine Schönheit.
    Dearlys Tochter war so blass und zierlich, dass sie den Vergleich mit einer Musselinpuppe heraufbeschwor. Ihre Wangen waren noch immer gerötet vom Kampf und auch ihre Lippen schimmerten rosig. Ich sah sie erst zum zweiten Mal in Farbe, aber ihr Anblick war mir von Daguerreotypien und Schwarzweißmonitoren vertraut, auf denen ihr Haar aber einfach nur dunkel erschienen war.
    Ich stand auf, trug sie zu einer der Bänke hinüber und sicherte sie mit den Gurten. Ich musste sie ein bisschen in Ordnung bringen, bevor noch jemand Ansprüche anmeldete. »Bringst du mir mal den Erste-Hilfe-Kasten, Coalhouse?«, fragte ich. Meine Stimme klang allzu schroff in dem Versuch, ihr falsche Professionalität zu verleihen.
    »Äh, ja. Einen Moment.«
    Einer der Puffärmel ihres Nachthemds war heruntergerutscht und enthüllte ihre weiße Schulter. Als Coalhouse den Erste-Hilfe-Kasten unter den Netzen hervorzog und ihn stolpernd zu mir herüberbrachte, zog ich den Stoff wieder zurecht und strich ihn über ihrer Haut glatt.

    Zwanzig Minuten später hielt der Transporter mit einem Ruck. Tom legte sein Gewehr an, öffnete vorsichtig eine der Hecktüren und spähte durch sein Zielfernrohr hinaus. »Ich sehe niemanden.«
    »Ich habe auch nichts«, sagte Chas, ihre Stimme drang gedämpft durch die Gegensprechanlage. »Bussard ist dreißig Minuten hinter uns. Sie nehmen das nächste Schiff.«
    Ich löste die Gurte, die das Mädchen hielten, und nahm sie diesmal wie eine Braut in die Arme. »Okay, lasst uns das schnell hinter uns bringen. Alles klar, Jungs?« Meine Teamkameraden nickten.
    Tom trat die zweite Hecktür auf und wir sprangen hinaus. Wir hasteten die Docks entlang, vorbei an den Anlegeplätzen und dem metallgedeckten Wachhaus. Wir waren am Hafen von New London, der sogar für diese späte Stunde erstaunlich leer war. Ich brachte tatsächlich einen ironischen Gedanken zustande und überlegte, ob vielleicht alle vor ihren Fernsehern saßen und sich die Nachrichten über die Entführung anschauten, die direkt vor ihren Nasen noch in vollem Gange war.
    Eines der beiden Panzerschiffe, die wir für diese Mission angefordert hatten, erwartete uns am äußeren Rand des Hafenbeckens, so weit wie möglich von den Lichtern der Stadt entfernt. Wir stürmten die Gangway hinauf, die hinter uns sofort eingeholt wurde. Befehle wurden gebellt und ich hörte, wie die Maschinen knarrend anliefen, als die Crew das Schiff zum Auslaufen bereit machte. Wir würden nicht lange auf dem Wasser sein. Es war nur eine kurze Fahrt nach Kolumbien. In spätestens einer Stunde säßen wir schon auf einem Laster, der uns zum Stützpunkt bringen würde.
    Ich trug das Mädchen hinunter in den Bauch des Schiffes aufs B -Deck, wo sich das medizinische Personal schon versammelt hatte. Coalhouse hatte ihr im Transporter auf meine Anweisung hin ein Sedativum gespritzt. Ich musste jetzt nicht mehr befürchten, dass sie vorzeitig aufwachte, und hielt sie daher ein wenig fester, als ich es vorher gewagt hätte.
    Alle waren in Eile.

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