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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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alle haben Ihren Vater sehr gern, Miss Dearly«, sagte er. »Es ist keine rein politische Angelegenheit.«
    Ich wollte das Mädchen, das ihren Vater über ein Jahr lang für tot gehalten hatte, nicht von oben herab behandeln, aber ich sprach trotzdem weiter. »Ich glaube, ich spreche für alle Zombies hier, wenn ich sage, dass wir durch die Hölle kriechen würden, um ihn zurückzuholen, Impfstoff hin oder her. Und wenn man’s genau nimmt, hätten wir ohnehin nicht mehr viel von einem Impfschutz.«
    »Das ist ja alles wirklich rührend«, sagte Nora, die Augen noch immer auf den Bildschirm gerichtet. »Aber mein Held ist er im Moment wirklich nicht gerade.« Sie öffnete die Faust, brachte einen Minizylinder zum Vorschein und hielt ihn mir hin. »Spiel ihn ab.«
    »Nicht Ihr …?« Elpinoys Augen weiteten sich und er wandte sich an mich. »Bram, was hast du getan?«
    Ich nahm den Zylinder und öffnete eine der Laufwerkklappen eines Computers, um ihn einzulegen.
    »Sie verdient zu wissen, was hier los ist, Dick.« Mit dem Ellbogen schloss ich die Klappe wieder, während ich mich hinabbeugte, um an dem Knopf zu drehen, der das Licht regulierte.
    »Schon, aber …«
    Dr.   Dearly unterbrach Elpinoy mit einem sanften »Hallo, Nörchen«.
    Auf einem der großen Bildschirme erschien sein Gesicht. Wir verstummten. Es überraschte mich, Victor so jung zu sehen. Sein rundes, aber aristokratisches Gesicht wurde von weniger Falten durchzogen, sein glänzendes Haar war tiefschwarz und sah noch nicht aus wie ein Salz-und-Pfeffer-Gemisch. Seine braunen Augen blickten klar hinter der Halbmondbrille hervor.
    Noras Arme sanken schlaff herab.
    Blass und zitternd saß Dr.   Dearly vor einer blutverschmierten grünen Zeltwand. Offensichtlich hatte jemand versucht, das Blut abzuspülen, aus irgendwelchen Gründen dann aber auf halber Strecke aufgegeben. »Es tut mir leid, dass du es so erfahren musst, Schatz. Ich schwöre dir, dass ich dir nicht wehtun will, nur … ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt. Ich muss es tun, bevor ich … unmenschlich werde.«
    »Er ist es wirklich«, wisperte Nora.
    »Wie du erkennen kannst, ist hier etwas Schlimmes passiert. Und wenn du das siehst, dann habe ich es nicht überlebt. Ich weiß nicht, wie viel ich dir erzählen soll, denn vermutlich wird die Regierung in dieser Sache hart durchgreifen … sie werden nicht zulassen, dass irgendjemand davon erfährt. Du bist ein kluges Mädchen, Nora, also wirst du diesen Zylinder zerstören, wenn du dir die Aufnahme angesehen hast, in Ordnung? Du wirst ihn zerstören. Schlag mit einem Hammer darauf ein, bis nur noch funkelnder Staub davon übrig ist, oder wirf ihn ins Feuer und erzähl niemandem davon, kein Sterbenswörtchen.«
    Er nahm seine Brille ab und wischte sich über die Stirn. Er schwitzte wie ein Rennpferd. Meine Zunge lag schwer in meinem Mund. Ich erinnerte mich daran, dass auch ich so geschwitzt hatte. Und ich wusste auch noch, wie verwirrt ich mich zu dieser Zeit gefühlt hatte.
    Plötzlich überfiel mich das Gefühl, dass ich das nicht sehen sollte. Diese Nachricht war für Nora bestimmt. Aber ich konnte nicht wegsehen.
    Die Tatsache, dass er etwas aufgezeichnet hatte, traf mich im Innersten.
    »Vielleicht hast du in deiner Sonntagsschule einmal einen Priester sagen hören, es sei gefährlich, sein Herz an Dinge zu hängen. Ihm würde nicht gefallen, was ich dir jetzt erkläre, aber so einer hat sowieso nur Unsinn im Kopf.
    Viel mächtiger als alle Religionen, viel mächtiger als Geld oder Land oder sogar Gewalt sind Symbole. Symbole sind Geschichten. Symbole sind Bilder oder Begriffe oder Vorstellungen, die für etwas anderes stehen. Menschen können Symbole mit so viel Bedeutung und Kraft aufladen, dass sie Hoffnung wecken, Gottheiten repräsentieren oder jemanden davon überzeugen können, dass er oder sie sterben muss.
    Überall um dich herum findest du Symbole von mir. Ich bin in allem, das ich jemals berührt habe. Ich bin in jeder Erinnerung, die du von mir hast. Ich bin in jeder Erwähnung meines Namens. Ich bin in jedem Atom deines Blutes.«
    Er sah in die Kamera. Er weinte. »Ich weiß, dass ich in Rätseln spreche, aber nur sie ergeben im Moment irgendeinen Sinn. Schatz, finde mich dort. Finde mich in dir. Finde mich in dir und wisse , dass ich dich nie verlassen wollte. Sei tapfer. Aber glaube nicht denen, die dir erzählen, ich sei nicht mehr. Das bin ich noch. Menschen können niemals wirklich sterben. Wir

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