Dark Love
hinterlassen so vieles.«
»Schalt es aus.« Nora weinte wieder.
»Es ist fast vorbei«, sagte ich und sah auf die digitale Zeitangabe über der Laufwerksklappe. Minizylinder hatten eine Aufnahmedauer von höchstens fünf Minuten.
»Ich liebe dich, Nora«, sagte Dr. Dearly. Er blickte unverwandt in die Kamera. »Es tut mir leid.«
Der Bildschirm wurde schwarz. Schnell drehte ich das Licht wieder hoch. Nora hatte sich auf einen der Tresen gestützt und Tränen rannen über ihre Wangen.
»Miss Dearly«, begann Elpinoy.
»Nennen Sie mich nicht so«, fuhr sie ihn an. »Nennen Sie mich nicht so! Ich habe nichts mit diesem … diesem Lügner zu tun! Er hat mich angelogen! Er hat mir nichts von alledem erzählt und dabei immer so getan, als wären wir Verbündete, er und ich, gegen den Rest der Welt!«
Ich entschied, es darauf ankommen zu lassen, und rückte mit dem Stuhl etwas näher an sie heran. »Nora, er liebt dich. Und wir werden ihn finden.«
»Ich will ihn nicht finden!« Sie trat einen Schritt zurück und funkelte mich mit großen, zornigen Augen an. »Ich will ihn nie mehr wiedersehen! Du willst aufbrechen und ihn suchen? Bitte schön! Für mich ist er gestorben, er ist tot, er ist tot !«
Mit diesen Worten stürmte sie in das Büro ihres Vaters zurück und ließ sich in seinen schweren Ledersessel fallen. Ich sah Elpinoy an und erwartete, Missbilligung in seinen Augen zu sehen, doch er erwiderte meinen Blick nur mit hilfloser Miene.
»Was sollen wir tun?«, fragte er.
Um genau das herauszufinden, folgte ich ihr.
Als ich sie erreichte, hatte Nora sich zu einer festen kleinen Kugel zusammengerollt. Ich kniete mich neben sie und fragte: »Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
Sie antwortete nicht. Anscheinend zog sie sich ganz in sich selbst zurück, wenn alles ihr zu viel wurde. Ich fühlte mich nutzlos, aber es war leichter, mit ihrem Schweigen fertigzuwerden, wenn ich ihr nahe sein konnte. Also lehnte ich mich an den Schreibtisch und lauschte, während ich wartete, dem Ticken von Dr. Dearlys alter Holzuhr und dem warmen Brummen der Computer.
Nachdem sie etwa zwanzig Minuten lang schweigend in ihre Gedanken versunken war, hob Nora den Kopf und wandte sich mir zu. Sie reckte trotzig das Kinn vor, doch ihre Stimme klang leise. »Da eine Impfung auch mir nicht weiterhelfen würde, gehöre ich jetzt wohl auch zur Lobby der Untoten.«
»Ja, vermutlich«, stimmte ich zu, auch wenn ich nicht verstand, worauf sie hinauswollte.
»Also ist es meine Aufgabe, euch zu helfen.«
»Okay?«
Als sie sah, dass ich nichts begriff, setzte sie sich seufzend auf. Während sie sprach, näherte sich Elpinoy langsam mit dem Rücken zur Wand. »Pass auf, ich verstehe, worum es hier geht. Ich bin vielleicht gerade etwas schwer von Begriff, aber so langsam verstehe ich es doch. Und was ich verstehe, ist, dass ich nach alldem nie wieder ein normales Leben führen kann. Was auch immer ich gerade für ihn empfinde, im Moment geht es mir so wie meinem Vater. Ich gehöre jetzt zu eurem Team. Ich bin sozusagen ebenfalls gebissen worden.«
Ich begriff. »Okay.«
Sie schüttelte sich ein paar Haarsträhnen aus den Augen. »Also weiter im Text. Was kommt jetzt?«
Elpinoys Mund klappte auf wie eine Falltür. »Miss Dearly, wirklich … wenn Sie sich in diesen Räumen erst einmal einrichten möchten, dann können Sie natürlich mehr Bedenkzeit haben …«
»Wenn ich mehr Bedenkzeit bekomme, werde ich vermutlich verrückt«, schoss sie zurück. »Ich habe die ganze vergangene Nacht gegrübelt, jetzt brauche ich Beschäftigung. Geben Sie mir etwas zu tun.« Sie nickte niemand Bestimmtem zu. »Gebt mir etwas zu tun.«
»Captain Wolfe wäre damit nicht einverstanden.«
Ich legte den Kopf zurück. »Dick, wo ist Captain Wolfe jetzt?«
»Er ist noch immer mit den Truppen auf Patrouille, müsste aber jeden Moment zurück sein. Tatsächlich sollte ich ihn wohl anfunken. Er hat zwar jegliche Funksprüche für den Fall verboten, dass die Grauen sie abhören sollten, aber ich könnte ihm sagen, dass …«
»Bist du bereit, gleich jetzt noch einen Zombie kennenzulernen?«, fragte ich Nora. »Ich versichere dir, dass er vermutlich der harmloseste von uns allen hier ist. Und er kann uns helfen.«
Elpinoy verstummte und sein Gesicht nahm einen misstrauischen Ausdruck an. »Was haben Sie vor, Bram?«
»Klar«, antwortete Nora. »Warum nicht?«
Ich stand auf und schenkte Elpinoy ein perfektes Unschuldslächeln. »Ich stelle ihr
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