Dark Love
ich vorhin gesagt habe, ich will nach Hause.«
»Ich arbeite daran«, antwortete ich und fuhr dann mit aufgedrehter Stimme fort: »Hey, Sam, wie läuft’s?«
»Ich will sofort nach Hause.«
»So gut, wie man es eben erwarten kann«, sagte Samedi und kam wieder näher. Er lächelte und verbeugte sich vor Nora. »Dr. Baldwin Samedi. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Miss Dearly.«
Nora machte keine Anstalten, in einen Knicks zu sinken. »Wie können Sie sich ohne Kopf bewegen?!«, sprudelte sie stattdessen hervor.
Beryl lachte. »Du bist wie immer ein echter Renner bei den Ladys, Baldwin.«
»Beryl! Heißt das etwa, du hältst mich auch für einen echten Renner?«, erwiderte Samedi mit gespieltem Schrecken. Dann wurde seine Miene jedoch ernst und er wandte sich wieder an Nora. »Nun, junge Dame, ich kann mich in erster Linie deshalb ohne meinen Kopf bewegen, weil mein Gehirn sich mittlerweile da drin befindet.« Er tippte auf den Stahlring. »Ich habe kabellose Elektroden in meinem Schädel angebracht, die mit dem Stahlring um meinen Hals kommunizieren können, der die Informationen dann wiederum an meine Wirbelsäule weiterleitet und dadurch meinen Körper in Bewegung setzt. Manchmal geht auch etwas schief, aber deswegen haben wir ja Dr. Chase hier, sie weiß, wie man sozusagen den Resetknopf drückt.«
Hinter seinem Rücken stellte Beryl pantomimisch dar, wie sie ihm mit einer Brechstange oder einem Holzknüppel eins überzog.
Ich meldete mich wieder zu Wort. »Dr. Samedi und Dr. Chase sind die besten Ingenieure, die für uns arbeiten. Sie entwerfen Waffensysteme, passen die Ausrüstung an und entwickeln die Prothesen, die einige von uns brauchen.«
»Prothesen? Wie … künstliche Arme und so?«
»Genau.«
»Bessere Lebensqualität nach dem Tod durch Kybernetik«, zitierte Beryl und rückte ihr Namensschild gerade.
»Wie auch immer, ich wollte dich fragen, ob du uns eine Einführung in den Lazarus geben könntest, Sam. Ich habe versucht, Nora ins Bild zu setzen, aber vielleicht wäre es gut, wenn sie das alles von einem Doktor hört.«
Samedi legte den Kopf schief. »Doktor? Ich bin Ingenieur, kein Epidemiologe. Jetzt, wo Dearly nicht hier ist, fällt das in Elpinoys Bereich.«
Elpinoy zog sich sein Jackett enger um den Körper, als könne es ihm Sicherheit geben. »Nein. Ich werde das nicht tun. Wir bewegen uns sowieso schon auf sehr dünnem Eis. Wolfe wird sehr wütend sein .«
»Jetzt verstehe ich«, meinte Samedi.
»Ups«, sagte ich lautlos, an Dick gewandt.
Samedi ging zu einem Computer hinüber und gab einen Befehl ein, woraufhin auf dem nächstgelegenen Monitor eine Reihe von Ordnern erschien. Er klickte sich hindurch, bis er eine Abbildung des Lazarusprion entdeckte. Er drückte eine Taste und ein Hologramm des Prion erschien auf einem nahen horizontalen Bildschirm. Nora bewegte sich ein Stück zur Seite, um besser sehen zu können.
»Das Prion Zr-068«, begann er. Samedi war der perfekte Mann für den Job. Er klang wie der Kommentator einer Dokumentation, sein Ton war knapp und nüchtern.
»Was ist ein Prion?«, fragte Nora.
»Es ist ein Protein. Nur das. Es ist weder lebendig noch tot. Nur ein Bündel biologischen Baumaterials. Tatsächlich tragen die meisten von uns ebendieses Protein vom Moment der Empfängnis an im Körper und es schadet uns nicht.« Er wechselte das Bild. »Der Unterschied ist, dass das Lazarusprion anders gefaltet ist. Es ist buchstäblich zerknautscht und hat somit eine andere Form. Nachdem es einmal in den Körper gelangt ist, vervielfältigt sich das erkrankte Protein, indem es unsere normalen Proteine dazu bringt, sich zu verformen. Eine Art tödliches Origami. Dann manifestiert sich das Krankheitsbild. Es ist eine unglaublich schnell voranschreitende Erkrankung, ihre durchschnittliche Inkubationszeit beträgt sechs Stunden.«
Nora starrte ihn an. »Man stirbt innerhalb von sechs Stunden ?«
»Tot«, bestätigte Samedi, »und dann untot. Der Körper reanimiert sich irgendwann zwischen zwei und sechs Minuten nach dem Exitus. Und je schneller man ›wiedererwacht‹, umso gesünder ist man. Das Gehirn beginnt erst nach dem Versagen von Herz und Lunge abzusterben, es ist der Sauerstoffverlust, der es tötet. Der generelle Zustand nach der Reanimation hängt also davon ab, wie lange das Gehirn an Sauerstoffmangel litt. Es ist durchaus möglich, sich auch nach einem vollständigen Absterben des Gehirns zu reanimieren.« Er schürzte die
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