Dark Love
dem Wohnzimmer rufen, ehe sie auch schon langsam die Tür öffnete und mit ihrem Kopf herauslugte. Bist du noch d-
Ich habe doch gesagt, dass nirgendwohin gehe! Stampfend betrat ich die Küche und machte mir einen Pfefferminztee. Der half mir immer, meine Gedanken einigermaßen zu ordnen.
Meine Mutter war im Gegensatz zu mir wohl eher in Plauderstimmung, denn sie stelle sich seelenruhig neben mich und verschränkte die Arme. Ich möchte es doch auch nicht, aber denke bitte einmal darüber nach, wie sehr es dir helfen könnte, wenn du für einige Zeit nicht in dieser Wohnung lebst.
Was würde das denn bringen? Ich drehte mich um und hob meinen Kopf, so, wie ich es immer bei meinem Vater gemacht hatte, weil er so groß war. Jetzt aber stand nicht er vor mir, deshalb blickte ich geradeaus - direkt in die schmerzerfüllten Augen meiner Mutter, die etwa genauso groß wie ich ist.
Du möchtest nicht reden, du willst nicht zum Psychiater gehen, du sagst mir nicht, wo du nachts arbeiten gehst... Sie begann sich die Schläfe mit ihrem Daumen und ihrem Zeigefinger zu massieren. Irgendetwas muss dir doch helfen können. Ich meine es nur gut.
Ich setzte ein Lächeln auf und schlürfte an meinem Tee, brannte mir jedich gleich darauf die Zunge. Es war kochend heiß. Wie wäre es, wenn du mich einfach in Ruhe lässt, hm?
Das will ich nicht. sagte sie kopfschüttelnd Ich will, dass du dir Mühe gibst, über ihn hinwegzukommen. Er ist bereits seit einem Jahr fort, Makayla.
Bist du denn über ihn hinweg? fragte ich mit brüchiger Stimme und unterdrückte mir ein Aufschluchzen. Ich verstand einfach nicht, warum sie ausgerechnet jetzt darüber redete. Wolte sie mich etwa absichtlich quälen? Ich konnte nicht glauben, dass sie mir bloß helfen will. Irgendetwas anderes musste dahinterstecken.
Sie holte tief Luft und öffnete ihren Mund, um zu antworten, doch dann ließ sie es bleiben und senkte stattdessen nur ihren Kopf. Eine einzige Träne fiel hinunter auf den Fußboden. Für mich ist es auch nicht leicht, aber ich versuche es.
Du bist unmöglich! Ich versuchte mich an ihr vorbeizudrängeln, doch sie ergriff zuvor noch mit einer Hand meinen Arm und sah mir tief in die Augen.
Makayla, das Leben geht weiter. Wir müssen irgendwie neu beginnen.
Ich stieß einen verachtenden Laut aus und riss mich von ihr los. Anscheinend möchtest du aber alleine neu beginnen.
Vielleicht wäre es besser, wenn ich für eine Weile nicht bei dir bin, damit du wieder zu dir kommst.
Ich gehe nirgendwohin. widerholte ich mich bloß, was zu meiner großen Verblüffung ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte.
Sie nickte ein paar mal hintereinander. Das verstehe ich. Du hast Angst, dich von der Vergangenheit zu lösen, richtig? Du möchtest Ramon nicht aus deinen Gedanken verbannen.
Ramon.
Ramon.
Papa.
Ich seufzte leise und ging ohne ein weiteres Wort in mein Zimmer, wo ich in Ruhe meinen Tee trinken konnte. Meine Mutter verlangte etwas von mir, dass ich normalerweise niemals in Erwägung ziehen würde. Und dennoch fing ich an, während ich mich auf meinen Stuhl setzte, zu grübeln. Eigentlich wollte ich das gar nicht, aber ihre ernste Miene und ihr überaus besorgter Gesichtsausdruck gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.
Es schossen unzählige Gedanken gleichzeitig in meinen Kopf ein. Ich versuchte gegen meinen Willen einige davon richtig aufzufassen.
Was, wenn meine Mutter tatsächlich nur das Beste für mich will? Wieso aber hatte sie mit mir heute - ausgerechnet heute - reden wollen? Heute war kein besonderer Tag. Es war einfach nur Mittwoch. Die Wolken waren grau und es war kühl, aber es regnete nicht. Ein Teil der Menschen befand sich gerade auf der Arbeit, der Rest lungerte irgendwo herum, blieb daheim, vergewaltigte jemanden, bnetrank sich oder kümmerte sich um irgendetwas anderes. In dieser Stadt war alles möglich. Es gab nichts, das man nicht tun könnte. Warum also musste mir ausgerechnet heute gesagt werden, dass ich fortgehen soll - dass ich nicht mehr in diesem Haus leben soll? Ich hatte hier fast mein gesamtes Leben verbracht. Wo sollte ich wohnen, wenn nicht hier? Ich konnte mir kein anderes Zuhause vorstellen. Eine unsichtbare Macht hielt mich in diesem Apartment fest. Vielleicht war es sogar mein Vater, dessen Geist nie von meiner Seite wich. Ich wusste es natürlich nicht genau, obwohl es nicht undenkbar wäre.
Ich glaubte an Geister. Sie existierten ganz bestimmt. Menschen konnten sie wahrscheinlich nicht sehen, weil sich vor
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