DARK MISSION - Fegefeuer
breitschultrige Gestalt steckte in lässigen Freizeithosen und einem schicken Pullover. Er wirkte wie ein distinguierter Vater oder ein begeisterter Freizeitsegler, nicht wie der Meister eines Hexenzirkels und sicher nicht wie ein Mann, den man in der Stadt eines Tages fürchten würde.
Caleb wusste es besser. Mit Mühe gelang es ihm, nicht die Fäuste zu ballen.
»Dieser Jäger«, führte Curio aus, jetzt, wo er Caleb und Alicia direkt gegenüberstand, »war nicht allein. Eine unserer Suchmannschaften hatte Jessica lokalisiert und sie bis zu einer Wohnung in den mittleren Ebenen verfolgt.«
Caleb versteifte sich. »Der Jäger war nicht allein?« Verfluchte Scheiße, war Caleb doch zu spät gekommen? Hatte der Dreckskerl seine Schwester bereits aufgespürt und … Jetzt ballte Caleb die Fäuste. »Hat er sie umgebracht? Haben wir unsere Chance vertan?«
Das konnte nicht sein. Caleb wüsste es, wenn Jessie tot wäre.
Er würde es doch spüren, oder etwa nicht?
Lange starrte der Zirkelmeister Caleb schweigend an. Er musterte sein Gesicht genauestens. Sein Tonfall war düster, als er sagte: »Dieser Jäger hat zwei weitere aus unseren Reihen getötet. Brian ist nur mit Müh und Not entkommen. Aber seines Wissens war deine Schwester bei seiner Flucht noch am Leben. Und mit dem Missionar zusammen, als du ihn angegriffen hast!«
Es dauerte eine Weile, viel länger, als es Caleb lieb war, bis das Gesagte bei ihm ankam und wirkte. Dann aber war ihm, als schlügen sich Klauen in seine Brust. Er wankte, versuchte zu verhindern, dass ihm ins Gesicht geschrieben stünde, was er fühlte, versagte aber.
Er war Scheiße noch mal zu spät gekommen! Jessie war in dem Pick-up gewesen, als Caleb das verfluchte Ding durch die Leitplanke brechen lassen hatte. Der Jäger hatte sie schon gehabt. Vielleicht war sie gefesselt gewesen und völlig hilflos, als Smiths Körper den Wagen gegen seinen Willen vom Karussell in den Abgrund gelenkt hatte.
Dutzende Meter tief. Hunderte.
Hatte Caleb seine Schwester gleich mit umgebracht? Hatte er all die gehorteten magischen Kräfte eingesetzt, das beschissene Schutzzeichen der dreimal verfluchten Mission überwunden, und das alles für nichts und wieder nichts?
»Nein«, sagte er heiser. Mit beiden Händen fuhr er sich übers Gesicht. »Ich dachte, er wäre allein im Wagen. Ich wusste nicht … zur Hölle damit! Scheiße, ich hab’s versaut! Es tut mir leid, Meister, ich …«
Warme, schwielige Hände legten sich ihm auf die Schultern und rüttelten ihn leicht. »Caleb, mein Freund!« Curios Ton war beruhigend, sprach ihm Mut zu, besaß sogar menschliche Wärme. »Du hast überstürzt gehandelt, aber in bester Absicht. Und dank eines gnädigen Schicksals ist Jessica Leigh nicht tot.«
Die Erleichterung schnitt tief in Calebs Herz, ein zweischneidiges Schwert. »Wo?«, wollte er sofort wissen. Eine Hand krallte sich in Curios Pullover; Calebs Gefühle übermannten ihn. »Wo ist sie?«
Alicia legte ihm einen Arm um die Schultern und sagte: »Wir holen sie uns zusammen, ja?«
Sehr sanft löste Curio Calebs in den Pullover verkrampfte Finger. »Leider nicht«, stellte er Alicias Bemerkung richtig. Sehr sanft, zu sanft. Viel zu entschuldigend. »Caleb, ich weiß, dass du nur das Beste wolltest. Aber du hast mich Zeit gekostet und Erhebliches an Energie. Ich habe bereits Teams ausgeschickt. Wir wissen noch nicht genau, wosie tatsächlich ist. Aber wir wissen, dass ihre Seele ihren Körper nicht verlassen hat.« Was Curio damit meinte, war klar.
Die anderen sollten und durften sie aufspüren. Nicht er, Caleb, der Bruder. Curio hatte ihn von seiner Aufgabe abgezogen, ließ ihn nicht mehr der Spur seiner Schwester folgen. Damit wäre Caleb blind und abhängig von den Berichten der anderen. Zum Henker damit!
Caleb straffte die Schultern und schüttelte Alicias Hand ab. Rasch rekapitulierte er, was er wusste, checkte die Eckdaten: Zeit, bereits Geleistetes, bereits Gesagtes, Pläne.
Ihm bliebe genau ein Versuch, der Hauch eines Versuchs, um genau zu sein, um alles so zu machen, wie es gemacht werden sollte. Kalter Schweiß sammelte sich zwischen seinen Schulterblättern, als ihm das klar wurde.
»In Ordnung«, sagte er und nickte. Mit gefurchter Stirn begegnete er Curios Blick aus blassblauen Augen. »Ich suche zusammen, was für das Ritual nötig ist, und beginne mit den Vorbereitungen. Wir täten gut daran, auch gleich die Reinigung der Stätte vorzunehmen, falls die Teams schnell
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