DARK MISSION - Fegefeuer
zu Boden. Den Schmerz würde sie erst sehr viel später spüren.
Aber die Kugel, die Silas gestreift hatte, hatte Jessie nicht erwischt, und das war alles, was für ihn zählte. Heiß brannte weißer Schmerz in seiner Schulter. Silas senkte den Kopf und ging auf den dunkelhäutigen Hexer im Wohnzimmer los, den dritten Angreifer.
Hinter ihm spuckte der Flur den anderen Hexer aus. In einer fließenden, energiegeladenen Bewegung streckte der Hexer Arm und Hand nach Silas aus. Höllischer Schmerz traf ihn genau in den Rücken, während er die Schulter in den Bauch des dunkelhäutigen Hexers rammte. Vor Schmerz krümmte sich Silas zusammen.
»Greif dir die Schlampe!«, hörte er den Schmerzhexer hinter sich befehlen. »Bethany …!«
»Kümmer mich schon drum!«
Worum? Um Jessie? Zum Teufel, nein! Nur über seine gottverdammte Leiche!
Die Wut verlieh Silas ungeahnte Kräfte. Sie dämpfte den Schmerz in seinem Körper, und er warf sich erneut auf den dunkelhäutigen Hexer unmittelbar vor ihm. Sie kämpften um die Waffe, Silas entwand sie ihm und richtete den Lauf auf sein Gegenüber.
Dunkle, fast schwarze Augen begegneten seinem Blick. »Fahr zur Hölle!«, spie ihm der Hexer entgegen.
Silas krümmte den Finger um den Abzug. Blut spritzte, eine Explosion aus Blutrot, Grau und Hellrot, die den kurzen, scharfen Schrei des Hexers vorzeitig kappte.
Der Mann wurde schlaff in Silas’ Griff. Silas schwang die Waffe herum und drückte zweimal rasch hintereinander ab. Der dritte Angreifer, der Schmerzhexer, schrie auf und verschwand in einem Hagel aus Putz hinter der Ecke zum Flur.
»Die Waffe runter, Cowboy!«
Silas’ Kopf zuckte herum. Silas blickte direkt in die Mündung einer Waffe. Automatisch krümmte sich sein Finger fester um den Abzug.
Wild stierten ihn honigbraune Augen an.
Silas’ Herz setzte aus. Augenblicklich verriss er die Waffe, hielt sie am ausgestreckten Arm seitlich von sich. »Jessie.«
»Tut mir leid«, sagte sie leichthin. Aber ihre Stimme verriet Anspannung und Angst, war höher als normal. Ihre Augen waren zu groß, ihre Haut zu bleich. Ihr Kehlkopf zuckte und hüpfte, und da war diese lange, rote Linie an ihrem Hals. Von Ohr zu Ohr. Oberflächlich nur, aber Blut quoll daraus hervor.
Die Hexe namens Bethany stand hinter Jessie, eine Hand in ihr tropfnasses Haar gekrallt. Die andere Hand, geziert von einem eckigen Tattoo, schwebte über Jessies Kehle.
In Bethanys Augen glitzerte kaum verhohlene Wut. Ungezügelte, bösartige Magie.
Silas senkte die Waffe, hielt sie am locker herabhängenden Arm. Er hatte nur Augen für das Blut, das als dünne Linie an Jessies Hals hervorquoll. Es sickerte dem Handtuch entgegen, das Jessie über ihrer Brust zusammenhielt.
Und Silas’ eigenes Blut kochte vor Zorn.
»Bist du dabei?«, fragte er ruhig.
Jessies Mundwinkel hoben sich in einem traurigen Lächeln. Ein dünnes, starres, beruhigendes Lächeln. »Viel zu früh, um zu sterben. Greif dir die Schlampe … Aaargh!«
Jeder Muskel in Silas’ Körper versteifte sich, als die Hexe die Hand spreizte. Als Jessies Haut am Hals einen Fingerbreit aufriss, an dem dünnen roten Saum um ihren Hals entlang. Blut quoll aus der Wunde, mehr und mehr. Silas’ Blickfeld verengte sich zum Tunnelblick; er sah nur noch Jessie vor sich.
Hilflosigkeit. Wut.
Angst.
»Was verlangst du?«, hörte er sich selbst die Hexe fragen und ließ die Waffe fallen.
»So gefällst du mir«, meinte Bethany gedehnt und offenbar erfreut, »ein kooperationsbereites Gegenüber. Die Welt braucht mehr Kooperationsbereitschaft, findest du nicht auch?«
Jessies Finger umkrampften das Handtuch noch fester. In Windeseile ging ihr Verstand Bilder durch, sortierte Gedanken, entwarf Pläne. Nichts von alledem schien erfolgversprechend.
Alles würde Opfer verlangen, Wunden einbringen, Schmerzen.
Jessie schluckte, zuckte zusammen, weil ihre Kehle, ihr Hals so brannte.
»Kooperation erfordert Vertrauen«, erklärte Silas. Sein Blick war leer und allein auf Jessie gerichtet. Er musterte sie. War in diesem Blick eine Botschaft für sie versteckt?
Aber wenn ja, welche?
Die Hexe lachte; Jessie spürte ihren Atem an ihrer Wange. »Du bist ein netter Kirchenjunge. Hältst du denn nichts von der Macht des Glaubens?«
»Nein.«
»Schade aber auch!« Jessie geriet ins Stolpern, als die Hexe ihr den Kopf an den Haaren nach hinten riss. »Denn die Kleine hier und ich, wir zwei fahren jetzt ein bisschen spazieren. Und da wirst du schon glauben
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