DARK MISSION - Fegefeuer
Angst, in dieses Zimmer zurückzugehen und diese heftige Sehnsucht zu spüren, so heftig, dass es ihm den Magen zusammenkrampfte. Die Sehnsucht, sich wieder in das schlafwarme Bett zu kuscheln. Sich schützend an Jessies warmen, geschmeidigen Körper zu schmiegen und seine Hände, seine Arme und seine Seele mit ihrer Wärme zu füllen.
Silas grunzte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Wut schlummerte tief unten in seinen Eingeweiden, gleich unterhalb eines anderen Gefühls: Er hatte nicht übel Lust, sich selbst von hier bis zum Sanktnimmerleinstag in den Arsch zu treten.
Operation Echoortung hätte besser Operation Megakacke heißen sollen.
Klar, die Mission wäre damit sicher nicht einverstanden.
Andererseits machte ja auch keiner von den anderen Missionarenmit der Schwester eines Hexers herum. Aber immerhin wussten sie nicht, dass Silas es tat. Und wüssten sie es, würden sie es sicher nicht gutheißen. Sie würden es selbst dann nicht gutheißen, wenn …
Zum Geier, wen versuchte er denn da gerade zu verarschen? Jessica Leigh war mit von der Partie, um ihm zu helfen. Wenn nicht mehr als ein bisschen Schwanzarbeit nötig war, um diese Hilfe zu bekommen und Caleb Leigh und seinen Zirkel ein für alle Mal zu erledigen, würden sich seine Kollegen schön brav hinten anstellen und ihren Teil dazu beitragen. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
Unter dem nächsten Donnerschlag bebten die Glasscheiben in den Fenstern. Dicke Wassertropfen platschten dagegen und sammelten sich zu Sturzbächen. Silas starrte auf das Regenwasser, das die Scheiben hinunterlief, und dachte an eine regennasse Mauer unterhalb der Gläsernen Stadt.
In seinem Kopf wurden aus schreckensweiten blauen Augen bernsteinfarbene. Augen, die an seinem Gesicht hingen, sich in seinen Verstand einbrannten. In sein Herz. Hol’s der Teufel!
Hol’s der Teufel!
Silas musste etwas tun. Irgendetwas.
Seine Runde drehen.
In einem plötzlichen Energieschub kämpfte er sich auf die Füße, ohne auf das verstimmt reagierende Knie zu achten. Geistesabwesend rieb er sich das Handgelenk, und spürte die Holzperlen unter seinem Daumen. Der Buchstabe N, der sich bei der Berührung warm anfühlte, schimmerte im gewittrig blassen Tageslicht.
Verflucht will ich sein, wenn ich einen weiteren Namen diesem hier hinzufüge!, dachte Silas bitter.
Unruhig tigerte er in dem kleinen Wohnzimmer auf und ab. Mehr als vier Schritte in jede Richtung brauchte er nicht. Vom Fenster zur Wand zur Tür zum Linoleumboden der Küche und wieder zurück. Silas wusste nicht, wie lange er sich hin und her bewegte, die Muskeln spielen ließ, um die Verspannungen zu lösen, und dabei leise vor sich hin fluchte.
Erst als er die Leitungen hinter sich in der Wand pfeifen und gluckern hörte, hörte er auf damit. Er blickte den kurzen Flur hinunter und sah einen blassen Lichtstreifen unter der Badezimmertür. Aus der Dusche tönte das Rauschen von Wasser.
Jessie war aufgewacht.
Und er hatte jetzt zu tun.
Er ging auf die halb offene Tür zu. Unbarmherzig gegen sich selbst drängte er den Impuls zurück, zu Jessie in die Dusche zu schlüpfen. Ihre Haut zu streicheln. Sie auf Touren zu bringen und zu spüren, wie es bei ihr abginge. Die bescheuerte Flasche Lavendelseife zu nehmen, die er vorhin gefunden hatte, und ihren ganzen Körper damit einzuseifen, ihr das Haar zu waschen.
Alles Dummheit. Schlichte Gier nach Sex.
Silas klopfte an die furnierte Tür und schob sie dabei ein Stück weiter auf. »Hallo!«
Dampfwolken hüllten Jessie ein, als die den Kopf hinter dem abgewetzten Duschvorhang hervorsteckte. Von den nassen Haarspitzen tropfte Wasser in ihre verschlafenen und dennoch sexy wirkenden Augen. »Selber hallo! Müssen wir hier weg?«
»Bald, ja.« Silas lehnte sich an den Türrahmen. Das war sicherer, als einen Schritt über die Schwelle zu tun. »In der Küche stehen Frühstücksflocken, sonst nichts. Das einzig Essbare hier. Du kannst sie dir nehmen.«
»Mhm-hmm!« Jessie verschwand wieder hinter dem Vorhang. Silas erwischte sich bei dem Wunsch, das blöde Ding wäre nicht undurchsichtig. »Ich bin gleich fertig. Das ist echt der Himmel auf Erden.«
Gegen seinen Willen huschte ein amüsiertes Lächeln über Silas’ Gesicht. Nach allem, was sie gestern hatte durchmachen müssen, wollte er ihr den kleinen Luxus einer heißen Dusche nicht verwehren. »Lass dir ruhig Zeit, Sonnenschein! Sobald du …«
Silas stellten sich die Nackenhaare auf.
Er wich zur Seite aus,
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