Dark Moon
hat sie ganz ruhig reagiert. Es tut ihr richtig gut, dass Dad nicht da ist. Langsam findet sie ihr altes Selbstvertrauen wieder.«
Ich nahm Mark in den Arm und drückte ihn, so fest ich konnte.
»Es tut mir leid wegen Emilia«, sagte er. »Und es tut mir auch leid, dass du mit ansehen musstest, wie sie… nun ja, wie sie…«
» … gestorben ist«, vollendete ich seinen Satz. »Ist schon okay. Es war nicht gerade das Highlight meines jungen Lebens, aber ich glaube, Emilia war froh, dass ich in diesem Moment bei ihr war. Wenigstens tröstet mich der Gedanke, dass ich Emilia helfen konnte.« Da kamen mir schon wieder die Tränen. Mark küsste sie mir von der Wange. Ich lächelte tapfer. »Ist deine Mutter zu Hause?«, fragte ich. Meine Stimme klang schon ein bisschen ruhiger.
»Sie ist noch oben und macht sich fertig«, sagte Mark. »Heute wird über die Umschuldung verhandelt.«
»Das ist ja großartig!«, rief ich überrascht. »Kann ich zu ihr?«
Mark setzte sich auf sein Motorrad. »Natürlich. Aber ich muss mich auf den Weg machen, sonst wird M r Sheldon ungeduldig. Er kann es nämlich überhaupt nicht ausstehen, wenn man unpünktlich zur Arbeit erscheint.«
Wir gaben uns einen Abschiedskuss. »Ruf mich an, wenn dir danach ist, okay?«
Dann fuhr Mark davon. Ich eilte die Treppe hinauf und klopfte an die Wohnungstür.
»Einen Moment!«, kam es gedämpft von der anderen Seite. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. M s Duponts Augen strahlten, als sie mich sah. Ihr Gesicht hatte mehr Farbe bekommen und das lag nicht nur am frisch aufgelegten Make-up.
»Lydia!«, rief sie aufgeregt. »Komm rein! Ich kann dir leider keinen Kaffee anbieten, denn ich muss gleich los.«
»Mark hat mir schon die guten Neuigkeiten erzählt«, sagte ich. »Herzlichen Glückwunsch!«
»Für Glückwünsche ist es noch ein wenig früh«, meinte M s Dupont. »Aber wenn die Banken einer Umschuldung zustimmen, werden wir gemeinsam feiern. Abgemacht?«
»Abgemacht«, sagte ich lächelnd, wurde dann aber gleich wieder ernst. »Mark hat Ihnen schon gesagt, was gestern passiert ist?«
M s Dupont war gerade dabei, einen Lidstrich aufzutragen, hielt bei meinen Worten aber sofort inne und ließ den Arm sinken. »Nicht in allen Details. Er hat nur gemeint, dass Emilia wohl nicht lange leiden musste.«
»Nein, es ist alles sehr schnell gegangen.«
Ein Anflug von Schwermut huschte über ihr Gesicht. »Nun, wir müssen alle sterben«, sagte sie. »Und ich bin froh, dass wir nicht wissen, wann und wie. Aber solange wir leben, sollten wir aus jedem Tag das Beste machen.« Sie lächelte.
»Sagen Sie, erinnern Sie sich noch an den Weinkeller Ihres Mannes?«
»Natürlich«, murmelte Maggie, während sie den Lidstrich vollendete. »George hat dort viele Nächte verbracht und ist danach kaum noch die Treppe hochgekommen.«
»Haben Sie noch einen Schlüssel zu der Tür?«
M s Dupont räumte ihre Schminksachen zusammen und begann ihr langes, kastanienbraunes Haar zu bürsten. »Irgendwo habe ich vielleicht noch einen. Wozu brauchst du ihn?«
»Wir suchen nach Emilias Angehörigen und können keine privaten Unterlagen finden. Der Weinkeller war der einzige verschlossene Raum im Haus.«
»Ich werde heute Abend nachschauen, okay?« M s Dupont warf einen Blick auf die Uhr. »Oh Gott, ich komme zu spät!« Sie drehte sich einmal im Kreis und lächelte dabei wie ein Mädchen, das zum Abschlussball geht. »Wie sehe ich aus?«
»Wow«, sagte ich. »Mit Ihrem Outfit werden Sie auch den knausrigsten Banker beeindrucken.«
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange. »Drück mir die Daumen.«
»Und wegen des Schlüssel s …«
» … werde ich mich melden. Versprochen.«
Ich begleitete sie noch zum Auto und fuhr dann auch nach Hause. Dort wartete ein Buch auf mich, von dem ich hoffte, dass es mich der Lösung des Rätsels »Emilia« ein Stück näherbringen würde.
Kapitel
I ch hatte mich in meinem Zimmer an den Schreibtisch gesetzt und mir den schmalen Band aus Emilias Bibliothek vorgenommen. Leider wusste ich nur wenig über die Geschichte der Squamish, außer dass der Stamm gut organisiert war und sein Geld in der Tourismusbranche verdiente. Grandma hatte oft Indianermärchen erzählt, als ich klein war. Damals hatte mich die Legende von Wountie oder die Geschichte vom Biber und der Froschfrau nicht besonders beeindruckt, doch als ich nun in Emilias Sammlung blätterte, kamen mir die meisten Geschichten über Orcas, Krähen und Bären bekannt vor. In
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