Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
meine Liebe. Ihr Lächeln sollte
Ihre innere Schönheit widerspiegeln, Ihre natürliche Anmut. Sie sollten von
innen heraus strahlen, und Ihr Lächeln sollte Ihrem Gegenüber das Herz erwärmen
und ihn nicht an einen grinsenden Totenkopf erinnern.“
Meine Mundwinkel sackten nach unten. Manchmal fragte ich mich
wirklich, ob die ganze Beschwörerei überhaupt die Mühe wert war.
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„Meine Liebe, Sie sind eine junge Frau. Und Sie haben einen flotten
jungen Mann an Ihrer Seite. Sie sollten sich öfter mal die Haare aufdrehen, das
würde wahre Wunder wirken!“
Ich biss die Zähne zusammen und notierte mir, was das EMW Messgerät
anzeigte.
„Und Ihre Kleidung - wirklich, ich verstehe ja, dass sie bequem ist,
aber Sie müssen an Ihre Zukunft denken! Welcher Mann will schon eine Frau
heiraten, die schlabberige Sporthosen und weite Pullis trägt? Sie haben doch
eine sehr schöne Figur. Scheuen Sie sich nicht, sie zu zeigen!“
Knacks mir brach die Spitze meines Bleistifts ab. Ich warf ihn leise knurrend
weg und schrieb mit einem Kugelschreiber weiter.
„Und achten Sie auf Ihre Haltung! Mir ist bewusst, dass die Zeiten
sich geändert haben, seit ich ein junges Mädchen war, aber meine Mutter wäre in
Ohnmacht gefallen, wenn ich so einen Buckel gemacht hätte wie Sie. Schultern
nach hinten, Kind, Rücken gerade und Kopf hoch! Eine Dame steht nicht so krumm
da!“
Der Kuli bohrte ein Loch ins Papier. Ich schloss die Augen und atmete
tief durch. Ich musste nur noch ein paar Dinge erledigen, dann konnte ich Esme
auf die Reise schicken und hatte endlich meine Ruhe. Nachdem sie mir zwei
Stunden lang nonstop Ratschläge erteilt hatte - gut gemeinte natürlich -, war
ich mit den Nerven am Ende.
„Wissen Sie, wenn Sie einen anderen Eyeliner verwenden würden, könnten
Sie den Kontrast zwischen Ihren Augen ein wenig abschwächen. Dass sie sind, wie
sie sind, lässt sich nicht ändern, aber aus dem, was man hat, muss man das
Maximum herausholen, mit minimalen Mitteln, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Eine Dame malt sich nicht an wie ein billiges Flittchen. Sie unterstreicht
vielmehr ihre natürliche Schönheit, und zwar ganz subtil, das ist das A und O
der Kosmetik.“
Ich nahm meine Digitalkamera und schaltete auf manuelle Steuerung um.
„Könnten Sie Ihren... äh... Schnuckel kurz auf den Arm nehmen? Ich würde gern
ein paar Bilder machen.“
„Fotos! Oh ja, natürlich, mit dem größten Vergnügen. Komm her, mein
Schnuckelschatz!“
Ich stellte das Bild scharf, vergewisserte mich noch einmal, dass der
Blitz ausgeschaltet war (wie ich festgestellt hatte, waren Geister auf Fotos,
die mit Blitzlicht gemacht wurden, fast nicht zu sehen), und machte mehrere
Aufnahmen.
„Jetzt müssen Sie mich noch von links fotografieren“, sagte Esme und
warf sich in Pose, um mir ihr Profil zu präsentieren. „Das ist meine
Schokoladenseite. Sie müssen immer an Ihre Schokoladenseite denken, meine
Liebe. Nehmen Sie den Mann immer auf diese Seite, damit er das Schönste von
Ihnen sieht. Und wir müssen uns über Ihre Augenbrauen unterhalten! Die jungen
Damen heutzutage haben einfach keine Ahnung, wie man sie richtig in Form
bringt.“
„Meine Augenbrauen sind ganz in Ordnung, danke. Wie wäre es, wenn Sie
sich jetzt an die Wand stellen? Ich würde gern ausprobieren, ob sie vor einem
dunklen Hintergrund besser zu sehen sind.“
„Oh, ganz bestimmt“, entgegnete sie und stellte sich vor die Wand mit
der dunkelblauen Seidentapete. Dann posierte sie wie ein Hollywood-Starlet aus
den dreißiger Jahren. „Aber was Ihre Augenbrauen angeht - tz, tz, tz! Sie
wollen doch nicht im Ernst so aussehen, als hätten Sie zwei dicke behaarte
Raupen im Gesicht. Augenbrauen müssen schmal sein und einen eleganten Schwung
haben. Sie sollen den Blick öffnen und die Aufmerksamkeit auf die Augen
lenken.“
Ich schaute Esme über die Kamera hinweg an und zog fragend eine dicke
behaarte Raupe hoch.
„Nun, also gut, vielleicht brauchen Sie bei Ihren Augen etwas
kräftigere Augenbrauen, aber trotzdem muss da etwas, getan werden. Eine ganze
Menge!“
„Hm. Nur noch ein paar Fotos, und dann bin ich mit Ihnen fertig. Dann
befreie ich Sie, damit Sie sich auf die nächste Existenzebene begeben können.“
Esme lächelte, bis ich die Kamera sinken ließ, doch dann schüttelte
sie ihren Lockenkopf und kam auf mich zu. „Oh nein, bitte nicht! Ich bin noch
nicht bereit zu gehen!“
Ich notierte mir die Kameraeinstellungen und wann und wo ich die
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