Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
beleidigt, und jetzt hast du auch noch den Nerv, mir zu sagen, ich
sei frigide?“ Ich holte tief Luft und zeigte zur Tür. „Pass auf, dass dir die
Tür nicht in den Rücken schlägt, wenn du das Zimmer verlässt!“
„Allie!“, rief Esme empört. „Kind, so dürfen Sie doch nicht mit Ihrem
Mann reden! Ein bisschen streng dürfen Sie schon sein, aber Sie dürfen niemals
so ausfällig werden. Das ist ganz und gar nicht damenhaft.“
Christian lächelte mich an - besser gesagt, er grinste so süffisant
und vielsagend und selbstgefällig, dass ich ihm am liebsten eine schallende
Ohrfeige verpasst hätte - und machte abermals eine altmodische Verbeugung, die
wohl bei jedem anderen Mann lächerlich gewirkt hätte, bei ihm jedoch ganz
wunderbar aussah. „Ich werde dich um zwanzig Uhr abholen.“
„Raus!“, brüllte ich und zeigte erneut zur Tür.
„Esme, es war mir ein Vergnügen. Ich hoffe, wir sehen uns wieder, aber
falls Allegra herausfindet, was mit ihrem Befreiungsritual nicht stimmt, und es
nicht dazu kommt, wünsche ich Ihnen jetzt schon einmal bonne chance .“
„Ach, Christian, Sie sind wirklich ein Charmeur! Aber ich glaube, ich
bin bestimmt noch ein Weilchen hier. Wie ich sehe, braucht Allie Unterstützung,
den guten Rat einer Mutter.“
„Esme, Sie sind nicht meine Mutter! Und Sie sind tot. Das sind nur
zwei Gründe, warum Ihr Rat hier nicht gefragt ist.“
Esmes Unterlippe begann zu zittern, und ihre Augen füllten sich mit
Geistertränen.
„Und, bist du jetzt mit dir zufrieden? Du hast einen Geist zum Weinen
gebracht!“
Ich sah Christian zornig an. „Wolltest du nicht gerade gehen? Oh,
Esme, es tut mir leid, ich wollte Ihre Gefühle nicht verletzen. Es ist nur
so... also, ich habe eine Mutter, und die ist noch sehr lebendig und
gibt mir ständig gute Ratschläge, doch ich weiß Ihre Besorgnis wirklich zu
schätzen ...“
Esme zückte schniefend ein Taschentuch und putzte sich die Nase. Ich
musste mir unbedingt notieren, dass auch Geistern die Nase lief, wenn sie
weinten. „Aber Sie sind Amerikanerin! Dann lebt sie doch bestimmt in Amerika,
oder? Sie brauchen auch hier eine Mutterfigur, mein Kind. Sie müssen
offensichtlich noch eine ganze Menge über Männer lernen, und da ich viermal
verheiratet war, bin ich genau die Richtige, um Ihnen zu erklären, worauf es
ankommt. Und nun gehen Sie bitte, Christian“, sagte Esme, steckte ihr
Taschentuch ein und setzte ein strahlendes Lächeln auf. „Allie und ich haben
eine Menge zu besprechen, und das ist nichts für Männerohren.“
„Oh Gott, was habe ich nur getan?“, stöhnte ich leise.
Aus Christians amüsiertem Lächeln wurde ein ausgewachsenes Grinsen,
als er sich Esme zuwandte. „Sie haben meine ausdrückliche Erlaubnis, der jungen
Dame Benehmen beizubringen. Zur Not mit dem Rohrstock.“
Was als Witz gemeint war, tat mir in der Seele weh. Ich fragte mich,
ob Christian jemals geschlagen worden war. Ich schon. Deshalb konnte ich solche
Scherze auch nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Sein Lächeln schwand, als er sich zu mir umdrehte. „Allegra? Stimmt
etwas nicht?“
Ich spürte, wie er versuchte, meine Bewusstseinsbarrieren zu
überwinden und meine Gedanken zu lesen. Ich verdrängte den Schmerz, den seine
Worte mir bereitet hatten, und setzte ein Lächeln auf. „Alles in Ordnung. Gute
Nacht, Christian.“
Er sah mich durchdringend an und bemühte sich weiter, mein Bewusstsein
zu erforschen, aber ich hatte einen starken Willen. Meine Gedanken für mich zu
behalten war der erste Schritt zur Selbsterhaltung gewesen, den ich gelernt
hatte. Es war eine harte Lektion gewesen, aber nun beherrschte ich es aus dem Effeff.
Christian nickte kurz, drehte sich um und verließ das Zimmer.
Ich schloss die Tür hinter ihm und lehnte mich erschöpft dagegen. Erst
jetzt wurde mir bewusst, wie sehr er mich innerlich aus dem Gleichgewicht
gebracht hatte. Ich fühlte mich ausgelaugt und leer, fast als hätte ein Teil
von mir mit ihm das Zimmer verlassen.
„Fantastereien, alles nur Fantastereien.“ Ich schüttelte missbilligend
den Kopf und straffte die Schultern. Störende Einflüsse hin oder her, ich hatte
zu arbeiten. Ich würde mir doch nicht von einem gut aussehenden Mann mit
verführerischen Augen und sinnlichen Lippen ins Handwerk pfuschen lassen! Und
ich würde mich nicht unterdrücken lassen, wie sehr er sich auch bemühte, mich
zu beherrschen. Tapfer lächelnd drehte ich mich zu Esme um.
„Nur ein kleiner Ratschlag am Rande,
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